Unverzichtbarer Strippenzieher

Die große Koalition ist Geschichte – nur nicht im Bundesfinanzministerium. Dort will der neue Hausherr Wolfgang Schäuble (CDU) zwei Staatssekretäre seines Vorgängers Peer Steinbrück im Amt belassen: Sowohl Werner Gatzer als auch Jörg Asmussen, beide SPD-Mitglied, sollen ihren Posten offenbar behalten.

Vor allem mit dem Festhalten an Asmussen dürfte sich Schäuble in der neuen Koalition nicht nur Freunde machen. Die FDP hatte ihn im Untersuchungsausschuss zur HRE-Pleite scharf angegriffen und seine Entlassung gefordert. Mit der generellen Linie von Asmussen dürften die Liberalen hingegen wenig Probleme haben. Ins Finanzministerium geholt wurde der heute 42-jährige Volkswirt von Theo Waigel. Während Oskar Lafontaines Staatssekretär Heiner Flassbeck Asmussen später als „mittelmäßigen Ökonomen“ bezeichnet haben soll, stieg er unter Hans Eichel schnell auf – und wurde zum Architekten der rot-grünen Deregulierung der Finanzmärkte. Die Zulassung von Hedgefonds und neuen Finanzprodukten wurde von ihm vorangetrieben. Auch im Koalitionsvertrag der großen Koalition fand sich Asmussens Handschrift, wenn etwa „überflüssige Regulierungen“ abgebaut oder ein „Ausbau des Verbriefungsmarktes“ angestrebt werden sollte.

In der Finanzkrise präsentierte sich Asmussen dann plötzlich als oberster Regulierer der Finanzmärkte – und häufte eine unglaubliche Machtfülle an. Ob Bankenrettungsfonds Soffin oder Wirtschaftsfonds Deutschland, ob Bankenaufsicht Bafin oder Börsensachverständigenkommission: Es gibt praktisch kein wichtiges Krisengremium, in dem Asmussen nicht die Strippen zieht.

Auf so viel Fachwissen mochten Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel offenbar nicht verzichten, solange die Krise noch läuft. Vielleicht halten sie den SPD-Mann aber auch nur im Ministerium, damit er seine Insider-Kenntnisse nicht anderswo einbringt. Wobei ein guter Informationsfluss in die Wirtschaft ohnehin schon gegeben ist. Asmussen sitzt nicht nur im Aufsichtsrat von Deutscher Post und Telekom, sondern ist seit Jahren liiert mit der obersten Berliner Lobbyistin der Deutschen Börse.

MALTE KREUTZFELDT