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Umsteigen statt aussteigen

Selbstständig und aktiv bleiben, wenn die körperliche Leistungs­fähigkeit im Alter abnimmt. Welche Hilfsmittel und Möglichkeiten gibt es, wenn umgedacht werden muss. Und wie hoch ist deren Akzeptanz?

Bewegung an der frischen Luft ist gut. Und bei Bedarf kann man es mit Elektroantrieb einfach mal laufen lassen Foto: Günter Standl/laif

Von Karin Chladek

Als einen geschwätzigen alten Mann bezeichnete Tschaikowsky anno 1877 den Schriftsteller Tolstoi in einem Brief. Befremdlich daran ist nur: Der Gemeinte zählte damals gerade einmal 49 Lenze! Verständlich wird der Ausspruch des Künstlers jedoch vor dem Hintergrund der damals durchschnittlichen Lebenserwartung. Diese lag in Europa um 1900 bei 50 Jahren. So galten seinerzeit in Mitteleuropa schon Frauen um die 40 als „ältlich“. Wer heute 50 ist, darf sich hingegen laut Statistik immerhin noch auf über 20 weitere Jahre Lebenszeit freuen.

Das Statistische Bundesamt meint, dass „der Trend zur zunehmenden Alterung der Bevölkerung (durch die stärkere Zuwanderung) nicht umgekehrt werden (kann)“. So gibt es hierzulande eine Fülle von Altersforschern, sogar eine Gesellschaft für Alternsforschung (DGfA), die sich damit beschäftigen, wie man ein höheres Alter bei guter Gesundheit erreichen, dabei möglichst fit, selbstständig und in der eigenen Wohnung bleiben kann. Welche Hilfsmittel sind dazu nötig? Welche werden akzeptiert? Und welche Rolle spielt Barrierefreiheit im öffentlichen Raum?

Alter ist nicht gleich Alter. Es gibt die nicht zuletzt von der Werbung geliebten „jungen Alten“ (50 plus bis Ende 70, oft über den 80. Geburtstag hinaus), die nicht selten zur Muße auch das Geld haben. Und es gibt „ältere Alte“ (meist 80 plus), deren Aktivität durch die Häufung von Einschränkungen und Krankheiten nachlässt. Aber auch hier gibt es viele Ausnahmen. Altern ist sehr individuell geworden. Die WHO nennt Menschen ab 65 Jahren „alt“. Diese Definition ist möglicherweise – veraltet. Was als „alt“ gilt und wer sich „alt“ fühlt, verändert sich. Auch wie angesehen ältere Menschen in einer Gesellschaft sind, unterscheidet sich je nach Kultur. In westlichen Industriestaaten herrscht ein Kult der Jugend: Wenn man schon älter ist, sollten es die anderen nicht sehen oder gar spüren. Das Alter wird im Westen als Gegensatz zum Fetisch Leistung gesehen. Und das, obwohl ältere Menschen oft fitter sind als noch vor Jahrzehnten.

Wie man es auch dreht und wendet, fühlt und bezeichnet – Fakt ist: Mit zunehmendem Alter kommt es in der Regel auch zu körperlichen Einschränkungen, und damit wird Barrierefreiheit im Umfeld immer wichtiger. Wohl den wenigen, die schon in jüngeren Jahren daran gedacht haben und ein möglichst barrierefreies Haus gebaut oder eine solche Wohnung gesucht und gefunden haben. Damit die Teilnahme am kulturellen Leben auch für behinderte Menschen und eben Menschen höheren Alters klappt, ist es entscheidend, dass die Gemeinden, Städte und Länder für mehr Barrierefreiheit im öffentlichen Raum sorgen. Etwa durch die Förderung des Einbaus von Liften, Rampen und dem Einsatz möglichst barrierefreier öffentlicher Verkehrsmittel. Das hilft älteren wie jüngeren Menschen mit Rollstuhl, Rollmobil oder einfach Schwäche, wie man sie oft nach oder im Verlauf von Krankheiten spürt.

Diverse Tipps und Informationen für „Silver Sportler“ finden Sie unter www.in-form.de

Information zum Thema Hilfsmittel finden Sie unter www.pflege.de/hilfsmittel/

In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Turner Bund hat die BAGSO die Broschüre „Fit im Alter und aktiv gegen Stürze“ entwickelt, als PDF unter projekte.bagso.de/fit-im-alter/praxis-tipps/bewegungstipps/ oder für 7 Euro zu bestellen über inform@bagso.de

In der eigenen Wohnung bleiben zu können, ist für ältere Menschen oft ein inniger Wunsch. Hier sind Notfallknöpfe erwähnenswert. Mit diesen kann man beispielsweise bei Stürzen schnell medizinische Hilfe rufen. Andere Hilfsmittel sind Treppenlifte, Duschhocker oder Badewannensitze, erhöhte Toilettensitze oder Greifzangen.

Aber nicht nur im Alltag, auch in der Freizeit werden Hilfsmittel mit zunehmendem Alter ein zentrales Thema. Denn Hilfsmittel anzunehmen bedeutet eine geliebte Tätigkeit länger weiterbetreiben zu können, anstatt diese frühzeitig aufgeben zu müssen. Jüngere „alte“ Menschen brauchen andere Hilfsmittel (wenn überhaupt) als ältere „alte“ Menschen. Zu diesen Hilfsmitteln zählen schon günstiges Equipment wie Nordic Walking Sticks, die immer mehr zum „jünger“ wirkenden Stock-Ersatz werden. Etwas kostenintensiver, aber inzwischen auch weit verbreitet, sind ­E-Bikes. Elektromotoren auf Akku-Basis sorgen für mehr Schwung und Freude beim Radfahren. Auch wenn die Muskeln nicht oder nicht mehr so leistungsfähig sind wie die der Begleitung. Wer mehr Unterstützung sucht, ist mit einem Elektroscooter gut beraten. Auch hier gibt es Unterschiede und diverse Modelle – sich vor der Anschaffung gründlich zu informieren (etwa im Internet) ist daher dringend zu empfehlen. Selbst eine Art Dreirad-Mofa mit E-Akkus ist heute auf dem Markt.

Parallel zur größeren Akzeptanz in der Gesellschaft werden Hilfsmittel immer unauffälliger und gleichzeitig leistungsfähiger. Etwa Hörgeräte. Diese werden immer kleiner, besser und damit absolut gesellschaftsfähig. Es stellt sich die Frage, ob Hilfsmittel nur oder eher akzeptiert werden, wenn sie quasi unsichtbar bleiben, von der Gesellschaft und von denen, die Hilfsmittel benützen. Die Antwort: teils – teils. Vor allem städtische Gesellschaften in Westeuropa betrachten auch deutlich sichtbare Hilfsmittel wie einen Rollstuhl oder Rollator einfach als das, was sie sind: Hilfen, die nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen sollten.