das portrait
: Palästinensischer Realpolitiker und Antisemit: Mahmud Abbas

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Palästinenerpräsident Mahmud Abbas hat in Ramallah eine scharfe antisemitische Rede gehalten. Die Juden seien wegen ihrer „sozialen Funktion“ und als „skrupellose Geldverleiher“ selbst schuld an den Pogromen in Europa und dem Holocaust, erklärte er am Montag vor dem Nationalrat, dem Parlament der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO).

Wütende Reaktionen der israelischen Führung ließen nicht lange auf sich warten. Abbas, so kommentierte Israels Bildungsminister Naftali Bennett von der Siedlerpartei Israel Beitenu, sei „von Kopf bis Fuß von Antisemitismus durchtränkt“. Regierungschef Benjamin Netanjahu sprach vom „Gipfel von Unwissenheit und Frechheit“.

Der Palästinenserpräsident gibt sich gern als Kenner des Holocaust. 1982 promovierte er in Moskau über die geheime „Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Zionismus“. Vor wenigen Jahren erschien sein auf dieser Dissertation basierendes Buch in Ramallah. „Die zweite Hälfte“ lautet der Titel dieses Werks. Gemeint ist die zweite Hälfte der Verantwortung für den Mord an den Juden in Europa. Die zionistische Bewegung, so erklärt Abbas darin, „stieß nicht auf großen Enthusiasmus unter den Juden in der Welt“. Die Verfolgung der ­Juden in Europa habe ihre Bereitschaft zum Umzug nach Palästina angetrieben. Außerdem hätten sich die Zionisten erhofft, „mit der steigenden Anzahl von Opfern größere Privilegien nach dem Krieg“ zu bekommen.

Später relativierte der Palästinenserpräsident seine Thesen, nannte den Holocaust ein „schreckliches, unverzeihliches Verbrechen an der jüdischen Nation“ und korrigierte die von ihm anfangs auf nur gut 800.000 veranschlagte Zahl der in den Konzentrationslagern ermordeten Juden.

Der Politiker Abbas gilt als Pragmatiker. Bereits in den 70er Jahren unterhielt er Kontakte zur israelischen Linken. Gemeinsam mit dem früheren israelischen Außenminister Schimon Peres unterzeichnete er 1993 das Osloer Prinzipienabkommen zur schrittweisen Autonomie und Zweistaatenlösung.

Dennoch kommt ihm, ob gewollt oder nicht, regelmäßig ein Satz über die Lippen, der ihn als Antisemiten entlarvt. So schimpfte er während der Krise um den Tempelberg auf die „dreckigen jüdischen Füße“, die die heilige muslimische Plattform vor der Al-Aksa-Moschee nicht betreten sollten.

Fast 50 Jahre verbrachte Abbas im Exil, nachdem er als 13-Jähriger aus seiner Heimatstadt Sefad fliehen musste. Seit seiner Rückkehr 1994 nach Ramallah versucht er einen Balanceakt zwischen scharfer antiisraelischer und bisweilen antijüdischer Polemik einerseits und Realpolitik auf der anderen Seite.

Auch seine Rede vor dem PLO-Nationalrat spiegelte die zwei Herzen des Palästinenserpräsidenten. „Wir stehen auf der Seite derer in Israel, die den Frieden unterstützen“, sagte er in derselben Rede und bekräftigte seine Bereitschaft zur Kooperation mit dem Ziel der Bildung zweier Staaten. Susanne Knaul

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