Tarif-Chaos an Elektrotankstellen

Mal wird die Parkzeit berechnet, mal die Strommenge. Strenges Eichrecht macht Probleme

Von Bernward Janzing

An der klassischen Benzin-Tankstelle ist die Abrechnung bekanntlich einfach – man bezahlt pro Liter. An Elektrotankstellen hingegen herrscht ein ziemliches Durcheinander der Tarife: Nach einer Auswertung der Landeseichbehörden rechnen derzeit nur 30 Prozent aller Betreiber von Ladestationen nach elektrischen Größen wie Kilowattstunden oder Kilowatt ab. 24 Prozent messen, wie lange der Ladestecker in der Säule steckt, bei 13 Prozent wird die Verweildauer des Fahrzeugs an der Ladestation in Rechnung gestellt, unabhängig davon, ob dieses wirklich tankt. Bei 10 Prozent der Anbieter bezahlt man eine Pauschale pro Ladevorgang. Und in 28 Prozent der Fälle wird der Strom verschenkt – etwa als Service eines Hotels oder als Werbeaktion.

Ursache dafür, dass nur eine Minderheit der Ladesäulen für die bezogene Energiemenge kassiert, ist auch das Eichrecht. So teilte zum Beispiel die Energieversorgung Gera kürzlich mit, sie erhebe ab sofort eine Pauschale pro Ladevorgang, da „eine kilowattstundenscharfe Abrechnung des getankten Stroms aus eichrechtlichen Gründen aktuell nicht zulässig“ sei. In Gera bezahlt man nun drei Euro pro Normalladung und neun Euro pro Schnellladung, unabhängig davon, wie viel Energie man bezieht.

Auch andere Betreiber kennen das Problem. Es betrifft speziell die Schnellladung, die in Zukunft mit bis zu 350 Kilowatt geschehen soll. Weil die Batterie stets mit Gleichstrom betankt werden muss, ein bordeigener Gleichrichter für solche Leistungen aber zu voluminös wäre, muss die Ladestation bereits Gleichstrom bereitstellen. Nun legt das Eichrecht aber fest, dass gemessen wird, was ins Auto fließt – an der Wechselstromtankstelle der Wechselstrom, an der Gleichstromtankstelle der Gleichstrom. Und weil es bislang keine geeichten Gleichstromzähler gibt, hat man nun ein Problem.

Die Eichaufsichtsbehörden haben zwar zugesichert, bis März 2019 nicht gegen Gleichstromtankstellen vorzugehen, die behelfsweise den Wechselstrom vor der Umwandlung messen und abrechnen. Voraussetzung ist aber, dass diese Ladestationen den Kunden einen Abschlag von 20 Prozent auf den gemessenen Wechselstrom gewähren, damit der Energieverlust bei der Umwandlung „auf keinen Fall zulasten des Verbrauchers geht“, wie die Arbeitsgemeinschaft Mess- und Eichwesen betont.

Nun könnte zwar ein Hersteller einen eichfähigen Gleichstromzähler entwickeln, doch damit wäre wenig gewonnen: „Es muss mindestens drei Anbieter am Markt geben, damit nicht ein Hersteller seine Monopolstellung ausnutzen kann“, sagt Claus Fest, Experte für Elektromobilität bei der Firma Innogy. Zudem tun die potenziellen Hersteller sich schwer, weil sie fürchten, ihre Zähler nur auf dem deutschen Markt absetzen zu können; in den meisten anderen Ländern sieht man das Eichwesen nämlich weniger streng.

Zudem ist noch völlig unklar, wie sich die Ladetarife in Zukunft gestalten werden – vielleicht werden Gleichstromzähler am Ende doch nicht gebraucht. „Man weiß noch gar nicht genau, wie die Kunden es wollen, das muss sich erst zeigen“, sagt Branchenkenner Fest. Sicher ist er sich aber in einem Punkt: Der Strom werde an öffentlichen Ladestationen in Zukunft teurer sein müssen als beim Bezug aus der heimischen Steckdose – schließlich will die Infrastruktur bezahlt sein. Nach welchem Abrechnungsmodus auch immer.