Ohne Kopftuch ins Parlament

KUWAIT Das Oberste Gericht hat entschieden, dass weibliche Abgeordnete auch ohne Kopfbedeckung Gesetze verabschieden können. Islamisten hatten dagegen geklagt

„Das Urteil beweist: Wir leben in einem zivilen Staat und nicht einem Taliban-Land“

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

In ihrem Kampf um persönliche Freiheiten und politische Rechte können kuwaitische Frauen einen weiteren Sieg für sich verbuchen. Das kuwaitische Verfassungsgericht hat entschieden, dass weibliche Abgeordnete kein Kopftuch tragen müssen. Im dortigen 50-köpfigen Abgeordnetenhaus sitzen seit Beginn des Jahres vier Frauen, zwei davon, Aseel al-Awadhi und Rola Dashti, ohne Kopftuch. Die Islamisten des kleinen ölreichen Landes waren vor das höchste Gericht gezogen, um das zu unterbinden.

„Das ist ein Sieg für unsere Verfassung. Ob wir ein Kopftuch tragen oder nicht, beeinflusst nicht unsere Leistungen im Parlament“, erklärte Aseel al-Awadhi nach dem Urteil. Ein anderes Urteil wäre ohnehin heuchlerisch gewesen, denn dann hätte sie beim Verlassen des Abgeordnetenhauses das Kopftuch abgenommen. Schließlich, meint Rola Daschti, „ist das Parlament keine heilige Moschee“.

In einer Verfassungsänderung hatten kuwaitische Frauen vor vier Jahren das Wahlrecht erhalten und das Recht, ins Parlament einzuziehen. Allerdings setzten die Islamisten im Parlament in letzter Minute eine Klausel hinzu, die besagt, dass Frauen ihre politischen Rechte nur im Rahmen der Scharia ausüben dürften. Das war die Grundlage für die Klage, die nun vom Gericht abgeschmettert wurde.

Das fünfköpfige Gericht argumentierte, dass nur die Lehren der Scharia Gültigkeit haben, die in Gesetzen kodifiziert sind. Die Klausel, die den Frauen das direkte und indirekte Wahlrecht gibt, sei in dieser Frage „nicht definiert und zu unspezifisch“. Die einzige Möglichkeit für die Islamisten sei jetzt, tatsächlich zu versuchen, ein Gesetz durchzudrücken, das den weiblichen Abgeordneten ein Kopftuch vorschreibe, sagt Daschti.

Obwohl die Mehrheit der Kuwaiterinnen traditionell ein Kopftuch trägt, garantiert ihnen die Verfassung von 1962 ihre persönlichen Rechte, unabhängig des Geschlechts. Anders als im benachbarten Saudi-Arabien oder dem Iran ist das Kopftuch in der Öffentlichkeit in Kuwait nicht obligatorisch.

Die Islamisten reagierten naturgemäß verärgert auf das Urteil. „Die Angelegenheit ist noch nicht vom Tisch“, erklärt Mohammed Hayef, einer ihrer Abgeordneten, und kündigte weitere Initiativen an, das Kopftuch im Parlament zur Pflicht zu machen. Liberale kuwaitische Zeitungen, wie die Onlineausgabe Al-Jaridah sind dagegen in Feierstimmung. „Das Urteil beweist: Wir leben in einem zivilen Staat und nicht einem Taliban-Land oder einem Emirat, das von Fatwas und religiösen Verboten beherrscht wird“, heißt es dort in einem Kommentar.

„Ob wir ein Kopftuch tragen oder nicht, beeinflusst nicht unsere Leistungen“

Das Recht, ohne Kopftuch im Parlament zu erscheinen, ist der zweite Sieg für die Kuwaiterinnen kurzer Zeit. Erst vergangene Woche sprach ihnen ebenfalls das Verfassungsgericht das Recht zu, auch ohne die Zustimmung eines männlichen Verwandten einen Pass beantragen zu dürfen. Das alte Passgesetz, so hieß es in dem Urteil, „hatte den freien Willen der Frauen unterwandert und ihre Menschlichkeit kompromittiert“.

Allerdings konnte auch die in den vergangenen Jahren im Parlament wachsende Fraktion der Islamisten und konservativen Stammesscheichs ihre Siege feiern. So wurde zum Beispiel an den Universitäten eine getrennte Ausbildung von Studenten und Studentinnen eingeführt.

Die Konservativen versuchen nun bereits seit zwei Jahrzehnten, die Verfassung zu ändern und die Scharia, das islamische Recht, in der kuwaitischen Verfassung nicht, wie dort festgelegt, als „Hauptquelle“, sondern zur „einzigen Quelle“ der Gesetzgebung zu machen. Bisher ohne Erfolg.