Das Orakel mit dem Hut

DOKU Spannend nur am Ende: „Erich Honecker“, Sa., 23.15 Uhr, NDR

Wer war Erich Honecker? Der skrupellose, rechtskräftig verurteilte Mauermörder? Oder der Mann mit dem Hut, der sich von Gattin Margot am Wochenende Jägerschnitzel braten ließ? Erich Honecker war stets beides. Und im Rückblick auf die 18 Jahre, die er an der Spitze des Arbeiter-und-Bauern-Staats stand, spürt man, wie seine Anhänger und Widersacher in ihm stets das sahen, was gerade opportun war.

Das 60-minütige Porträt, das der NDR Samstagnacht ausstrahlt, zeigt die üblichen Bilder von alten Genossen, Ostberliner Paraden und Jagdgesellschaften in der Schorfheide. Dazu geben Männer – ausschließlich Männer – Auskunft, wie sie den gebürtigen Saarländer erlebt haben. Klaus Bölling und Hans-Otto Bräutigam etwa, die Ständigen Vertreter der BRD in Ostberlin. Auch Egon Krenz, Hans Modrow und der Satiriker Peter Ensikat. Ihre Bemerkungen über E. H. halten alles bereit: von Denunziation über Respekt bis zur wohlfeilen Selbstverleugnung und verspäteten Unterwerfung.

Richtig interessant wird der Film erst zum Ende hin. Denn so wie das Land ging unverhofft flott der gesamte politische Apparat unter – Honecker war nur der Erste, der über Bord gestoßen wurde. „Heute bin ich es, morgen seid ihr es“, hat er seiner Politbürocrew gesagt, als die ihn im Oktober 1989 auf die Planke schickten, um den Schein von Handlungsfähigkeit zu wahren. Wer war Erich Honecker? Ein Überzeugungstäter. Aber auch das Orakel von Ostberlin. AM