Zwischen Hoffnung und Propaganda

WUNDERSALBE Nach ARD-Sendung: Hautkranke hoffen auf „vergessenes“ Heilmittel – Wunderdinge sind jedoch nicht zu erwarten. Ein eindeutiger Wirknachweis für die Neurodermitissalbe steht noch aus

Etwa sechs Millionen Menschen leiden in Deutschland an Neurodermitis. Die Hauterkrankung gilt als unheilbar – doch eine eigentlich alte, jetzt wiederentdeckte Salbe soll jetzt an dieser Situation etwas ändern. So hoffen zumindest viele Betroffene.

Schon Ende in den 60er-Jahren entdeckten Wissenschaftler, dass Neurodermitis-Patienten deutlich verringerte Vitamin-B12-Werte haben. Das überwiegend in tierischen Nahrungsmitteln vorhandene Vitamin gilt als wichtiger „Haut-Funktionsstoff“. Es lag daher auf der Hand, Vitamin B12 bei Neurodermitis-Patienten auszutesten.

Ende der 80er entwickelten die Wuppertaler Wissenschaftler Karsten Klingelhöller und Thomas Hein eine Salbe aus Avocadoöl und Vitamin B12, die auch gleich mit Erfolg an Klingelhöllers Freundin ausprobiert wurde, die an Ekzemen litt. Auch eine Studie der Uni Bochum fiel später positiv aus, sogar bei Schuppenflechte (Psoriasis) zeigten sich Erfolge. Dennoch schafft es die Salbe nicht als Präparat in die Apotheken – die Pharma-Industrie zeigte kein Interesse daran.

Am Montag letzter Woche sendete die ARD einen Bericht mit dem Titel „Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern“. Er zeigt, wie Klingelhöller und Hein daran scheiterten, ihre Salbe auf dem Markt zu platzieren. Weil nämlich, so die These des Films, die Chemiekonzerne kein preiswertes Medikament gegen eine Erkrankung haben wollen, an der man mit symptomlindernden Mitteln wie etwa Cortison große Summen verdienen kann, solange sie unheilbar bleibt.

Schon drei Tage nachdem der ARD-Bericht gesendet wurde meldete die schweizerische Firma Mavena, dass sie die Salbe ab November auf den Markt bringen werde. Pharmakritiker vermuten daher, dass es sich bei dem Film um eine gezielte Marketinghilfe für ein Präparat handele, das schon lange für den Markt vorbereitet war.

„Schade, dass sich jetzt auch schon eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt völlig kritiklos für solche PR-Aktionen hergibt“, klagt Thomas Schwennesen vom deutschen Neurodermitiker-Bund. Der Autor des Beitrags, Klaus Martens, beteuert jedoch, dass er bei der Produktion des Films von Herstellerplanungen keinerlei Kenntnis hatte.

Bleibt die Frage, ob mit der Salbe wirklich eine neue Ära in der Behandlung von Ekzemen eingeläutet wird. Die Studienlage ist dünn, denn es gibt nicht viel mehr als die Untersuchung an der Bochumer Universität. „Es wäre schön, wenn das Mittel eine Wirkung wie Cortison hätte“, sagt der Kölner Kinderarzt Eckhard Korsch. Dass will jetzt die Bezirksregierung in Düsseldorf überprüfen lassen. Denn bisher ist die Salbe nicht als Arzneimittel zugelassen, sondern nur als „Medizinprodukt“. Die Hürde für die Vermarktung eines Medizinproduktes ist nicht sehr hoch. Eine formale Anmeldung genügt.

JÖRG ZITTLAU, WLF