Ungerechtfertigt unbeliebt

Wenn ich in der Kneipe sitze und Auswärtsspiele des Hamburger SV sehe, sind da auch ein paar Jungs mit Rauten auf Schals und Mützen. Sie jammern und winken ab, wenn Heiko Westermann in der Nähe des Balles ist: „Oh nein, der Westermann“, rufen sie. Der Innenverteidiger, in Wasserlos (Franken) geboren, bei der SpVgg Greuther Fürth groß geworden, der von Schalke 04 in den Norden kam, beim HSV als defensiver Mittelfeldspieler und Außenverteidiger ausgeholfen hat, hat es schwer. Dabei geht es nicht um Leistung, eher darum, dass Fans Sündenböcke brauchen.

Westermann, 29, seit 2010 beim HSV, sah, wie die gesamte Defensive einschließlich Torwart Jaroslav Drobny, schlecht aus, als unter Trainer Michael Oenning im Sturm und Mittelfeld nicht mehr gegen den Ball gearbeitet wurde. Da rollten alle Angriffe ungebremst auf die Abwehr zu, kein Innenverteidiger der Welt hat da eine Chance.

Westermann hat auch in dieser falsch spielenden Mannschaft versucht, richtigen Fußball zu spielen: Vertikalpässe nach vorne, hochstehen, schwierige Situationen spielerisch lösen, keine stereotype Spieleröffnung. Ist schwer, wenn die anderen nicht mitmachen.

Es gab vor ein paar Wochen eine Szene mit dem HSV-Stürmer Marcus Berg. Westermann spielte einen Vertikalpass, der Ball zischte durch den Korridor zwischen den beiden gegnerischen Innenverteidigern, in dem nicht klar ist, welcher Innenverteidiger hingeht. Der Moment des Zögerns (du oder ich?), ist die Chance des Stürmers. Westermann, der Innenverteidiger, weiß das.

Westermann spielt diesen Ball auf Berg, der nicht am Fuß von Berg landen kann. Das ist ein Pass nicht für den Stürmer, sondern gegen die Abwehr, für den der Stürmer etwas tun muss: sich bewegen. Berg pennt, deutet auf seinen Fuß und beschwert sich, dass Westermann ihm den Ball nicht dahin gespielt hat. Berg begreift nicht, dass ein Ball auf dem Fuß nicht zum Tor führt: Weil der Ball gar nicht zu ihm durchkommt, und wenn doch, dann ist der gegnerische Innenverteidiger da, bevor er schießen kann.

Berg gestikuliert, Westermann schüttelt den Kopf und ist sauer. In der Statistik war das ein Fehlpass. Zahlen erklären im Fußball nicht alles, denn nicht immer macht beim Fehlpass der einen Fehler, der ihn spielt.

Nun steht eine andere Mannschaft auf dem Platz, ohne Berg, Westermann und Michael Mancienne sind nicht permanent unter Druck. Prompt hat Joachim Löw den Franken für die WM-Qualifikationsspiele gegen Irland und Schweden nominiert. Gegen Irland saß Westermann auf der Bank. Er war ein Stück von der Nationalelf weg, sein Spiel nicht.  ROR