Die Tabuzone

Der Domshof ist zu nichts nutze, seit gut 1.100 Jahren mehr Last als Lust. Bislang ist noch jede Initiative, den Platz irgendwie zu beleben, gescheitert. Das könnte sich jetzt ändern

Seit Jahrhunderten liegt er so da, der Domshof: weit, wüst, öde Foto: imago

Von Karolina Meyer-Schilf

Seit Jahrhunderten liegt er so da, der Domshof. Weit, wüst, öde. Bislang ist noch jede Initiative, den Platz zu beleben, gescheitert. Auch die Anwohnerini­tiative, die sich zuletzt um eine sinnvolle Platzgestaltung bemüht und entsprechende Konzepte eingebracht hatte, ist ins Stocken geraten. Das ist folgerichtig, denn Streit gab es über den Platz immer schon: Die ersten acht Jahrhunderte seines Bestehens konnte dort nichts Sinnvolles gebaut werden, weil der Domshof als exterritoriales Gebiet zum Bistum Bremen gehörte und die Stadt darauf keinen Zugriff hatte.

„Es gibt keine zweite Stadt in Deutschland, die so eine kleine Altstadt mit so vielen ungenutzten Flächen hat“, sagt der Leiter des Bremer Staatsarchivs, Konrad Elmshäuser. Besonders auffällig: „In dem Teil der Altstadt, der den Erzbischöfen zur Verfügung stand“, also neben dem Domshof die Gegend um die Violen- und die Sandstraße, gebe es auch großzügige Gärten, „während im Rest der Altstadt qualvolle Enge herrschte“, sagt Elmshäuser. „Da war nie Siedlungsdruck, das war eine Tabuzone.“ Aber dadurch, dass man dort nicht bauen konnte, sei der Domshof eben auch „der riesige weiße Elefant geworden, der er heute immer noch ist“.

Dysfunktional ist das Adjektiv, das den Domshof am besten beschreibt. Nicht einmal für das Bistum hatte er eine funktionale Bedeutung, zumal der Bischof dort nicht lebte: „Die konkrete Ausmessung ist Zufall, der Platz hatte nur eine untergeordnete Funktion“, sagt Elmshäuser. Das „Beziehungsgegenüber des Doms“, erklärt er, sei die St.-Wilhadi-Kirche gewesen, dort, wo jetzt die Bürgerschaft steht, sowie der Palast des Bischofs, der an jener Stelle stand, wo seit 1913 das Neue Rathaus steht. Der Domshof indes führt in Richtung Wallanlagen, wo der Bischof ein eigenes Tor hatte.

Gänzlich ungenutzt war der Platz auch wieder nicht: Weil die Grenzen des Platzes nicht ganz klar waren, gab es immer wieder Streit mit der Stadt Bremen um die Nutzung. Sie hielt dort außerdem regelmäßig Veranstaltungen wie etwa den Schweinemarkt ab und nutzte den Platz etwa zum Zwischenlagern von Materialien für den Festungsbau. Proteste des Bistums kümmerten sie dabei wenig.

„Der Platz ist einfach ein bisschen zu groß“

Konrad Elmshäuser, Staatsarchiv

Aber selbst, als nach dem Deputationshauptschluss im Jahr 1803 der Platz endgültig in bremische Herrschaft überging, tat sich dort nur wenig. Auch wenn dort einige Behördengebäude, Hotels und Restaurants entstanden – so richtig nachverdichtet wurde die Innenstadt an dieser Stelle nicht. „In dieser Zeit ging die Expansion eher nach außen“, sagt Elmshäuser. Gebaut wurde in den Vorstädten, nicht in der Innenstadt. Die später in der Gründerzeit entstandenen und in den 1980ern erweiterten Monumentalbauten der Banken machten die Sache nicht besser – zumal der eigentliche Platz leer blieb. „Man kann da hin und her schieben, was man will – der Platz ist einfach ein bisschen zu groß“, sagt Elmshäuser.

Während es für die Anwohner­initiative nach einem Machtwort des Bürgermeisters Carsten Sieling (SPD) Hoffnung gibt, einen Hain um den Neptunbrunnen, neue Bänke und die Installation eines Springbrunnens zu verwirklichen, sind Elmshäuser und sein Staatsarchiv eher an dem Platz in seiner Einöde interessiert: Das Staatsarchiv braucht dringend ein neues Magazin für seine Bestände. Der ehemalige Tiefbunker aus dem Zweiten Weltkrieg, der unter dem Domshof liegt, könnte geeignet sein. Die Option wird derzeit von Immobilien Bremen geprüft und soll bis Ende des Sommers entschieden sein.

„Wir warten die Diskussion um die Gestaltung des Platzes gelassen ab“, sagt Elmshäuser. „Die Idee mit den Wasserspielen verfolgen wir allerdings sehr interessiert“, sagt er und lacht. Die würden direkt über dem Magazin liegen – einen Wassereinbruch befürchtet er aber nicht: „Ein Springbrunnen ist tatsächlich das geringste Problem.“ Viel wichtiger sei, dass das Drainagesystem mit Starkregenereignissen fertig werde, um das dann unterirdisch gelagerte Kulturgut zu schützen.