Ausgehorcht

Das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht steht in Sachsen auf dem politischen Spiel

Die Telefonüberwachung eines Reporters der Dresdner Morgenpost weitet sich zu einer Debatte über Pressefreiheit und die geltende Rechtslage aus. Der Journalist war im Mai nach einem Insidertipp bei einer Hausdurchsuchung beim ehemaligen sächsischen Wirtschaftsminister Kajo Schommer zugegen. Dessen Beratervertrag mit dem Dualen System hatte Verdacht erregt.

Um die undichte Stelle in den sächsischen Behörden zu ermitteln, wurden im Auftrag der Staatsanwaltschaft Chemnitz die Telefone des Journalisten angezapft. Auch ein Staatsanwalt der sächsischen Antikorruptionseinheit „Ines“ wurde überprüft. Die fünf Wochen dauernde Abhörattacke erfolgte mit Wissen von Justizminister Geert Mackenroth und Ministerpräsident Georg Milbradt (beide CDU). Mackenroth verteidigte das Vorgehen, das „ausschließlich mit rechtsstaatlichen Mitteln“ erfolgt sei. Die Landespressekonferenz Sachsen protestierte hingegen gegen den „völlig unverhältnismäßigen Eingriff in die schutzwürdigen Rechte der Medien“.

Der Deutsche Journalistenverband Sachsen wies darauf hin, dass nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Telefondaten nur im Zusammenhang mit Kapitalverbrechen erhoben werden dürfen. Am Mittwoch soll der Fall in einer Sondersitzung des Landtags diskutiert werden. Dabei soll es vor allem um die Frage gehen, ob die erst 2001 im Rahmen der Antiterrorgesetzgebung novellierte Strafprozessordnung geändert werden muss. Sie unterläuft praktisch das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht. Der sächsische CDU-Generalsekretär Kretschmer hatte zuvor von einem Präzedenzfall gesprochen, bei dem die Spielräume der Justiz erstmals voll ausgereizt wurden. Michael Bartsch