taz hackt sich zwei Beine ab

Die Schließungspläne der Berliner taz-Zentrale haben die beiden Lokalredaktionen in Bremen und Hamburg geschockt. Wir meinen: ein Leben ohne lokale tazzen ist nicht vorstellbar. Auf dieser Seite nehmen die beiden Redaktionen zu den Schließungsplänen Stellung

Hat die taz schon wieder eine Krise? Fast könnte mensch sich dran gewöhnen, doch so recht will das nicht gelingen. Denn dieses Mal geht es nicht um einzelne Maßnahmen, sondern um tief greifende Einschnitte. Der Standort Bremen soll aufgegeben werden, die taz hamburg soll ihre Lokalausgabe zum nächsten Jahr reformieren zu einer nord-taz mit Hamburg als Berichtsschwerpunkt, in beiden Städten sollen die Verlags- und Anzeigenabteilungen geschlossen werden. So wollen es Geschäftsführung, Vorstand und Chefredaktion der taz.

Eine der Folgen: Von gut 30 Stellen an beiden Orten werden etwa zwei Drittel entfallen. Wegen vieler Teilzeitstellen heißt das: Wahrscheinlich wird etwa zwei Dutzend MitarbeiterInnen im Norden gekündigt werden – vor allem in Akquise, Verlag und Veranstaltungsservice. Diese KollegInnen werden zusammen mit den Betriebsräten ihre arbeitsrechtlichen Möglichkeiten natürlich ausschöpfen. Die zweite Folge: In Hamburg soll eine Redaktion verbleiben mit 10 bis 12 Stellen, in Bremen soll es nur ein Redaktionsbüro geben. Auch in den drei jetzigen Redaktionen Hamburg, Bremen und Nord würde etwa ein Drittel der Beschäftigten den Job verlieren.

Die MitarbeiterInnen der taz hamburg haben am Mittwoch mit Vorstand und Geschäftsführung bei deren Besuch in Hamburg ausführlich über diese Einschnitte und deren – noch vages – neues redaktionelles Konzept diskutiert. Intern werden wir diese Debatten weiterführen, ein Ergebnis soll zur Genossenschaftsversammlung in Berlin am 17. September vorliegen.

Bis dahin werben wir zunächst verstärkt um Unterstützung und neue Abos. In den ersten vier Tagen der Rettungskampagne sind zwölf neue Abos eingegangen; in den nächsten zwei Wochen werden es deutlich mehr werden müssen, um die EntscheiderInnen im taz-Konzern beeindrucken zu können.

Ein Aufwärtstrend ist auch in der Akquise zu vermelden, wo erst im Juli die Stelle der Anzeigenleitung neu besetzt wurde. Trotz Sommerloch liegen die Umsätze im August bereits über dem von der Geschäftsführung vorgegebenem Plan. Ein klares Zeichen, dass die wirtschaftliche Perspektive nicht so schwarz ist, wie sie bisweilen gemalt wird.

Allerherzlichsten Dank für die Welle der unterstützenden Zuschriften an rettet@taz-hamburg.de in dieser Woche, von denen wir lange noch nicht alle veröffentlichen konnten. Wir werden das in den nächsten zwei Wochen fortsetzen, und wir werden unsere Bemühungen fortsetzen, diejenigen in der taz von der Wichtigkeit der taz hamburg in Springers Stadtstaat an der Elbe zu überzeugen, die daran zweifeln. Sven-Michael Veit
(Redaktionsleitertaz hamburg)

Bremen ist eine kleine Stadt, die im Konzert der Großen mitspielen will. Und sich gern an alte Hafen-Romantik erinnert: weltoffen, frei.

Kann sich diese Stadt ein Stück Pressevielfalt leisten? Die Regierenden ertragen manchmal die kleine freche Stimme der taz schwer, aber die Menschen in der Stadt – reicht denen ein Blatt? Haben sie nicht manchmal Spaß an unkonventioneller Pressefrechheit?

Die Wahrheit ist: Viel zu wenige. Klar, wir als taz-MitarbeiterInnen machen auch Fehler. Jeder Tippfehler ist öffentlich kontrollierbar und jede Nachlässigkeit in der Recherche ewig dokumentiert. Das ist hart. Aber: Wenn nur diejenigen, die keine Fehler machen, uns nicht abonnieren würden, hätten wir weniger Sorgen.

Die Finanzlage der Bremer taz ist prekär, war es schon 1984 bei der Gründung. Mehrfach hat der Lokalteil ums Überleben gekämpft und es immer geschafft – auch in großzügigem Einvernehmen mit der Geschäftsführung der taz in Berlin.

Das macht den großen Unterschied zur aktuellen Lage aus: In Berlin haben viele die Lust an Lokalteilen verloren. Das Scheitern des Versuches in Nordrhein-Westfalen schlägt auf die taz in Norddeutschland durch. So wie in NRW sollen vier Seiten „taz-nord“-Leser zwischen Kiel und Osnabrück binden, denen die überregionale taz allein zu wenig ist.

Es gibt bisher keinen Anlass für die Annahme, dass das Angebot von „Regionalseiten“ sich betriebswirtschaftlich rechnen könnte. „In der Stadt Bremen erreicht die taz mit 4,8 taz-Käufern pro Tausend Einwohnern mehr als doppelt so viele Leser wie in der größenmäßig vergleichbaren Stadt Stuttgart (2,05 taz-Käufer pro Tausend Einwohner)“, formuliert der taz-Geschäftsführer. Auch in Hamburg hat die taz dank Lokalteil überdurchschnittlich viele Käufer. In Regionen, in denen seit einigen Jahren Regionalseiten angeboten werden, ist der Effekt gering.

4,8 Promille sind aber nicht genug. „Die Städte, in denen die taz mit Lokalteilen vertreten ist, haben ihre Funktion als Hochburgen der Auflagenentwicklung, die sie in den achtziger Jahren noch hatten, in den neunziger Jahren verloren. So ist die Auflage der taz in Berlin von 1996 bis 2004 um 28 Prozent zurück gegangen, in Hamburg um 16,8 Prozent und in Bremen um 15,4 Prozent“, schreibt der Geschäftsführer.

Bremen hat also, in der traurigen Bilanz der Lokalteile der taz, die am wenigsten schlechte Position. Die vielen Lesebriefe helfen uns, mehr noch die „Rettungsabos“, die wir am 17.9. bei der Generalversammlung der taz-Genossenschaft auf den Tisch legen wollen. Gute Argumente haben wir sowieso. Klaus Wolschner