HAMBURGER SZENE VON AMADEUS ULRICH
: Springer umsonst

Der erste Studientag, mehr als hundert Studenten füllen das Audimax, tuscheln nervös. Ein Mann tritt ans Rednerpult, trägt Anzug und Krawatte, klappt seinen Laptop auf, füllt sein Wasserglas und gibt sich keine Mühe, sympathisch zu wirken. „Der is’ bestimmt der Boss“, flüstert mein Nachbar.

„Ihr, liebe Studenten, seid Teil eines Pilotprojektes“, sagt der Mann. „Wir haben hohe Schulden, brauchen dringend Geld, und Sie zahlen ab diesem Semester leider keine Studiengebühren mehr.“ Im Saal wird es still.

„Deswegen werden sich Investoren an der Uni beteiligen, deren Vorlesungen Pflicht sind“, sagt er. An der Wand erscheinen Logos von Firmen. „Das sind Ihre Sponsoren, die Bild-Zeitung kriegen Sie nun umsonst.“ Mein Nachbar und ich fangen laut an zu pöbeln, drauf geschissen, ob der da unten Chef oder sonst wer ist. „Exmatrikuliert mich“, brüllt mein Nachbar.

Der Boss bleibt gelassen und öffnet die letzte Folie der Präsentation: Dort ist er zu sehen, wie er in einem Sessel sitzt, an seiner Zigarette zieht und uns seinen Mittelfinger entgegenstreckt. Und unter ihm steht: „VERARSCHT!“ Noch nie habe ich mich so über einen Mittelfinger gefreut.