Jugendstil dampft für Jamaika

Ein Jahr Schwarz-Grün-Gelb hoch im Norden

Wenn Schleswig-Holsteiner sich wohl fühlen, gehen sie aufs Wasser, vornehmlich die aus der Landeshauptstadt Kiel neigen dazu. Und so sticht denn auch die seit einem Jahr amtierende Jamaika-Koalition am nächsten Montag in See: Ihren ersten Geburtstag feiert sie mit Journalisten auf einem Törn mit dem Raddampfer „Freya“ auf der Kieler Förde.

Das 1905 vom Stapel gelaufene Fahrgastschiff ist vor allem eines: ein Dampfer. Und eben das ist auch schon eine Ansage in Kiel, einer der am stärksten unter Luftverschmutzung leidenden Städte Deutschlands, in der sich der rote Oberbürgermeister mit dem grünen Umweltminister über Dieselfahrverbote streitet – wie passend, dass der 113 Jahre alte Jugendstil-Dampfer ohne Ende schwärzliche Dieselrückstände aus seinem blau-weiß-rot gestreiften Schornstein pustet.

Von diesem kleinen Schönheitsfehler abgesehen, scheint über dem Jamaika zwischen Nord- und Ostsee seit einem Jahr die Sonne. „Dynamisch und konfliktresistent“ findet Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sein Regierungsbündnis. „Wir arbeiten vertrauensvoll zusammen“, sagt er, „ich mache mir überhaupt keine Sorgen um die Stabilität der Koalition.“

Jamaika könne aus seiner Sicht auf eine ordentliche Leistung blicken: „Es ist uns gelungen, mehr Schwung ins Land zu bringen. Wir führen G9 ein, schaffen mehr Lehrerstellen, Grundschullehrer werden mehr Geld bekommen, wir haben eine komplett neue Kita-Finanzierung auf den Weg gebracht, die Elternbeiträge für die Kitas steigen nicht und wir beschleunigen die Sanierung der Infrastruktur“, listete Günther auf. Und es sei gelungen, die HSH Nordbank für einen vernünftigen Preis zu verkaufen.

Ähnlich sieht es auch der Grünen-Vorsitzende Steffen Regis. Trotz einiger Meinungsverschiedenheiten funktioniere die Jamaika-Koalition „gut und zeigt viel Gestaltungswillen“. Nun müsse es darum gehen, „die Energiewende fundamental voranzubringen, die Landwirtschaft Stück für Stück nachhaltiger zu machen, Schulen zu sanieren und digital fit zu machen und konsequent für ein weltoffenes Schleswig-Holstein zu arbeiten“, sagt Regis.

Von einer „bescheidenen Bilanz“ spricht hingegen SPD-Chef Ralf Stegner. „Erstaunlich viele Risse“ sieht er im Bündnis, etwa beim Thema Fahrverbot für Dieselautos; bei Arbeit und Soziales herrsche sogar Rückschritt. „Von dieser Landesregierung sind weder wirtschaftliche, soziale noch ökologische neue Impulse für unser Land zu erwarten“, sagt Stegner, der den positiv besetzten Begriff „Jamaika“ meidet. Für ihn ist das Dreierbündnis eine „Schwarze Ampel“, kurz: Schwampel.

Sven-Michael Veit