Gott mit dir, du Stadt der Bayern!

Alles ist möglich, jetzt sogar die Gründung eines CSU-Landesverbands in Berlin. Aber das ist gar kein Problem: Auch diese Randgruppe findet an der Spree ihr Plätzchen

Bayern in Berlin Foto: Herrmann/Eventpress/picture alliance

Von Uwe Rada

Platz genug ist ja. 4.500 Sitzplätze zählt das Hofbräuhaus am Alexanderplatz, genug, um im Fall der Fälle die Gründung einer neuen Partei zu feiern. Denn wenn CDU und CSU – und damit die seit 1949 bestehende Union beider Parteien – ausei­nan­derbrechen, könnte nicht nur Angela Merkels CDU in Bayern antreten, sondern 2021 auch die CSU von Horst Seehofer und Markus Söder in Berlin.

Die Bayerische Landesvertretung in der Behrenstraße, das steht fest, ist für die Gründung eines Landesverbandes Berlin der CSU zu klein. Und politisch auch zu nahe an München. Wie ein konservativer CDU-Politiker, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, der taz verriet, soll eine allzu ostentative Nähe zur bayerischen Landesregierung vermieden werden. „Wir denken uns die CSU in Berlin eher als moderne konservative Alternative zu CDU und AfD“, sagt er. „Mit Weißwurscht und Trachten gewinnt man in Berlin keine Wahlen.“

Bajuwaren in Berlin

Vielleicht aber mit Weizenbier. Die Firma Paulaner, heißt es hinter vorgehaltener Hand, soll als Sponsor schon bereitstehen. Gleiches gilt für BMW in Spandau. Allerdings will niemand bislang Klartext reden, denn schon einmal hat sich die Union, die kurz vor der Spaltung stand, wieder zusammengerauft. 1974 hatte die CSU den so genannten Kreuther Trennungsbeschluss gefasst. Nach der Drohung der CDU, dann auch zu Wahlen in Bayern anzutreten, wurde er postwendend zurückgenommen. Zwar zündelte auch Franz Josef Strauß fünf Jahre später noch, aber eben nur ein bisschen. Nun aber ist die Lunte wieder angesteckt.

Ohnehin steckt im preußischen Berlin mehr bajuwarische Lebensart als vermutet. Die Sektion Berlin des Deutschen Alpenvereins zum Beispiel zählt 18.700 Mitglieder und ist damit nach Hertha und Union der drittgrößte Sportverein der Hauptstadt. Neben dem Hofbräuhaus am Alex lädt auch am Flughafen Schönefeld ein bayerisches Wirtshaus zu Allgäuer Wurstsalat und Leberkäs ein – die Touristen nehmen es mit einer Selbstverständlichkeit hin, als gehöre Weißwurscht ebenso zu Berlin wie Currywurst.

Und dann gibt es da noch seit 1876 den Verein „Bayern in Berlin“. Selbst die taz hat in ihrem Café im bayrischen Monat Oktober schon einmal eine kulinarische blau-weiße Woche ausgerufen. Warum dann nicht auch eine CSU auf dem Wahlzettel bei der nächsten Wahl zum Abgeordnetenhaus?

In der Berliner CDU-Zentrale in der Kleiststraße gibt man sich betont gelassen. „Wir beteiligen uns nicht an der Spekulationen der Medien, und wir machen uns auch keine Gedanken“, sagt Benno Müchler, der Sprecher des Landesverbandes, dessen Vorsitzende Monika Grütters die Spitzenkandidatur bei den nächsten Wahlen nicht ausgeschlossen hat. Aber natürlich würde eine neue Partei das Berliner Parteiengefüge weiter zersplittern. Nach jüngsten Umfragen liegt die CDU mit 19 Prozent hinter der Linken mit 20 Prozent, gefolgt von Grünen und SPD (je 18), AfD (11) und FDP (7).

Generell ist im Berliner Parteiengefüge noch Platz für die CSU, meint der Parteienforscher Gero Neugebauer. „In einer Me­tro­pole gibt es viele ­verschiedene Identitäten, auch politische“, sagt Neugebauer der taz. „Vermutlich hätte die CSU auch die Chance, über die Fünfprozenthürde zu kommen.“ Dennoch räumt Neugebauer einer möglichen CSU-Gründung langfristig nicht allzu viele Erfolgschancen ein. „Die politische Lücke zwischen CDU und AfD ist da. Aber bislang ist die CSU kulturell viel zu sehr bayerisch.“ So käme es bei den Berlinerinnen und Berlinern nicht gut an, wenn Markus Söder in München Filmfestspiele als Konkurrenz zur Berlinale gründen wolle. „Wenn, dann kriegen die wahrscheinlich in Hellersdorf und Zehlendorf ihre Stimmen.“

Natürlich hinge die Attraktivität einer Berliner CSU auch von deren Spitzenpersonal ab. „Ein Wechsel des frisch gewählten CDU-Fraktionschefs Burkard Dregger zur CSU wäre natürlich ein Kracher“, meint ein Sympathisant der Bayern in Berlin. Ein anderer gibt zu bedenken, dass gerade im liberalen Berlin ein weltoffener und zugleich konservativer Kandidat eine gute Lösung wäre. „Stefan Evers wäre so einer“, heißt es. Aber auch der Generalsekretär der Berliner CDU müsste dafür natürlich die Seite wechseln.

Grüne: Wir sind tolerant

Der Streit über die Flüchtlingspolitik geht weiter. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt beharrte darauf, dass Deutschland Flüchtende auch im nationalen Alleingang zurückweisen könne.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt dagegen weiter auf bilaterale Abkommen mit anderen Ländern. Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es, es werde am Rande des EU-Gipfels in Brüssel am Donnerstag und Freitag dazu Gespräche geben. (dpa)

Eine Alternative zu Parteiübertritten wären Politimporte aus Bayern. Abgehalfterte CSU-Politiker gibt es zuhauf, und nach einer Spaltung der Union wäre ja auch Innenminister Horst Seehofer arbeitslos. Doch da winken viele ab. „Nicht vermittelbar.“ Besser seien da schon „Prominente Berliner mit einer ausgewiesenen Affinität zu Bayern“. Zoodirektor Andreas Knierim etwa. Gerne zeigt sich der Ex-Chef des Münchner Zoos mit Janker in der Hauptstadt.

Der rot-rot-grünen Koalition käme eine Berliner CSU natürlich gelegen. „Die Union als stärkste Partei ist damit auf Jahre Geschichte“, sagt einer, der seinen Namen nicht nennen will. Offiziell aber geben sich SPD, Linke und Grüne zurückhaltend. „Auch wir beteiligen uns nicht an Spekulationen“, betont die grüne Landeschefin Nina Stahr. Augenzwinkernd aber fügt sie hinzu, dass Berlin tolerant sei und eine ausgeprägte Willkommenskultur habe. „Auch Bayern sind in Berlin willkommen.“

Gut möglich, dass sich am Ende alles wieder in Schall und Rauch auflöst und der Theaterdonner aus dem Reichstagsgebäude nicht bis zum Berliner Abgeordnetenhaus vordringt. Oder ist das Hofbräuhaus doch schon gebucht? Der beste Zeitpunkt wäre natürlich Oktober.

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