DAS TOSKANA-VIERTEL
: Lärmbelästigung

Aber inzwischen droht Gefahr von einer anderen Seite

Mir ist ein neues Anzeichen für die zunehmende Gentrifizierung aufgefallen. Als ich nämlich um die Ecke in die Urbanstraße fahre, entdecke ich ein Tempo-30-Schild, das vorher noch nicht da war, und ich frage mich, warum ist da plötzlich ein Tempo-30-Schild? Ich weiß gar nicht, warum ich mir die Frage stelle, denn ich weiß die Antwort schon, bevor ich mir die Frage überhaupt gestellt habe. Wegen des Toskana-Viertels!

Die ehemaligen Nebengebäude des Urbankrankenhauses, in denen eine offene Alkoholikerentzugsstation untergebracht war, die das Viertel mit frischen Alkoholikern versorgte und meinem Kumpel Ede Unterschlupf gewährte, bevor er sich dann doch lieber vom 3. Stock stürzte, diese Gebäude also sind in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Jetzt wohnen da Leute, die kein Alkoholproblem mehr haben, dafür aber Kinder. Bei diesen Kindern hat man jetzt festgestellt, dass sie vom Lärm der vierspurigen Urbanstraße ein frühkindliches Trauma kriegen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wohnen auch Leute. Aber das sind keine frisch gebackenen Wohnungseigentümer, sondern nur alteingesessene Mieter. Von denen haben auch welche Kinder, nicht so viele, aber die sind strapazierfähiger. Wenn Autofahrer mit 80 vorbeibrettern, finden sie das jetzt nicht wirklich außergewöhnlich.

Aber inzwischen droht Gefahr von einer anderen Seite. Von telefonierenden Fahrradfahrern mit angehängter Kinderkutsche und Fahrradhelm, also den gefährlich schwankenden Amateuren, und von den Profis mit den Profirädern, also den Fahrradboten, die jeden Tag eine Tour de France durch Berlin machen. Da herrscht ein rauer Ton. Das ist sogar Berlin-Reiseführern aufgefallen, in denen Touristen empfohlen wird, sich von Fahrradfahrern fernzuhalten, sie nicht zu füttern und sich ihnen nur ganz, ganz vorsichtig zu nähern.

KLAUS BITTERMANN