Bosnische Serben lösen ihre Armee auf

Parlament macht Weg für gesamtbosnische Truppen frei. Jetzt steht die Reform von Polizei und Geheimdiensten an

SPLIT taz ■ Nach monatelangem Ringen hat das Parlament der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina am Dienstagabend die Auflösung der eigenen Armee beschlossen. Künftig soll es eine gemeinsame Armee des Gesamtstaates geben. Damit wurde die wichtigste Voraussetzung für die Aufnahme Bosnien und Herzegowinas in die Nato-geführte „Partnerschaft für den Frieden“ erfüllt. In den nächsten Tagen wird die bosniakisch-kroatische Föderation dem Votum der Serben folgen.

In beiden Teilstaaten werden die Verteidigungsministerien aufgelöst und ein gemeinsamer Generalstab geschaffen. Am 1. Januar 2006 wird es nur noch eine Armee geben, die aus 10.000 Berufssoldaten bestehen soll. Mit der Reform wird die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft. Die Armee soll multikulturell sein. Bisher verfügte die Republika Srpska über 6.600, die Föderation über 12.600 Soldaten.

Damit hat sich der Präsident der Republika Srpska, Dragan Cavić, gegen starken Widerstand in den eigenen Reihen durchgesetzt. Dem Chef der Serbischen Demokratischen Partei gelang es, mit der Partei des demokratischen Fortschritts (PdP) und der Unabhängigen Sozialdemokraten (SDNP) über zwei Drittel der Stimmen im Parlament zu mobilisieren. Gegen die Reform stimmte die Radikale Partei. Die Veteranenverbände und der Bund der Kriegsgefangenen protestierten erfolglos. Der scheidende Nato-General Steven Schook hat sein Ziel erreicht. Denn die USA haben seit 5 Jahren auf dieses Ziel hingearbeitet. Nach dem Aufbau einer EU-Armee in Bosnien und Herzegowina sind die Amerikaner noch mit rund 300 Mann im Land geblieben und vor allem bei der Armeereform als Berater aktiv.

Die Reform der Armee ist ein wichtiger Baustein für die Stärkung des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina. 10 Jahre nach dem Abkommen von Dayton sollen nach dem Willen der internationalen Gemeinschaft auch die Polizei und die Geheimdienste unter die Kontrolle des Gesamtstaates gestellt werden. Bei der Polizeireform sind noch größere Hindernisse zu überwinden. Denn mit der Reform soll die Polizei über die Grenzen der Teilstaaten hinaus neu organisiert werden. Damit verlören die Innenministerien der Teilstaaten die Kontrolle über die Polizei.

Vor allem der Premierminister der Republika Srpska, Pero Bukejlović, stellt sich quer. Deshalb hat Cavić offenbar mit dem Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, gesprochen. Der solle den Premier absetzen, hieß es in Sarajevo, würde die Polizeireform weiter blockiert.

Das bosniakische Mitglied der dreiköpfigen Präsidentschaft des Landes, Sulejman Tihić, geht davon aus, dass die Polizeireform trotz der serbischen Widerstände durchgesetzt wird. Er bemängelt, dass in allen gemeinsamen Institutionen serbische und kroatische Vertreter die höchsten Posten zugesprochen bekämen. Der Verteidigungsminister werde wie der Polizeichef ein Serbe sein, bei den Geheimdiensten sei ein Kroate vorgesehen. Die bosniakische Mehrheitsbevölkerung würde mit niedrigeren Posten abgespeist.

ERICH RATHFELDER