„Merci und bedankt“

Nach dem Ende des WM-Traums sind viele Belgier selbstbewusst – und stolz

Aus Antwerpen Tobias Müller

Als alles vorbei war, flogen Flaggen und Schals in die Luft. Bengalisches Feuer brannte, aus den Boxen kam „You’ll Never Walk Alone, und viele, viele sangen mit. So sah es nach dem Schlusspfiff des ersten Halbfinales im „WM-Dorf“ am Antwerpener Schelde-Kai aus. „Kämpfend untergegangen“ seien die Roten Teufel, befanden viele Kommentatoren. In Antwerpen verloren die Fans singend und mit erhobenen Armen.

Die Reaktionen auf die Halbfinalniederlage gegen den großen Nachbarn Frankreich sind ein Indikator für das, was das belgische Team erreicht hat. Fraglos ist da viel Schmerz, von der Brüsseler Zeitung Le Soir mit „Ende des Traums für die Teufel“ beschrieben. Die wallonischen Kollegen von La Meuse aus Lüttich texteten, die 0:1-Niederlage gehe „mit Tränen einher, aber auch mit immensem Stolz“.

Doch schon bald nach dem Match war klar, dass unter dem Strich vor allem Freude bleibt. Und ein Selbstbewusstsein, das in Belgien selten ist. „Danke, Teufel, für 27 magische Tage in Russland“, schrieb die Regionalzeitung Het Belang van Limburg. Da hatte Torhüter Thibaut Courtois den Franzosen schon vorgeworfen, sie hätten „Antifußball“ gespielt, und der Stürmer Eden Hazard trotzig bekannt, er „verliere lieber mit diesem Belgien“, als mit solch einem Frankreich zu gewinnen.

All das sind Indizien dafür, dass hier kein Underdog ausgeschieden ist, sondern ein reifes Team auf dem Zenit seines Könnens. Und um noch einmal auf „1986“ zurückzukommen, die WM in Mexiko, auf die man sich in Belgien in diesen Tagen so oft bezieht: Was die Roten Teufel von damals und heute verbindet, ist das beste Resultat der Geschichte dieser Auswahl. Was Auftritte, Spielanlage und ­Stimmung angeht, hat die heutige Generation die alten Vorbilder aber, da sind sich viele in Belgien einig, längst übertrumpft.

Trainer Roberto Martínez hatte nach dem Spiel erklärt: „Ich kann nicht mehr verlangen von meinen Spielern.“ Nichts als Lob und vor allem Dankbarkeit gab es auch in den sozialen Netzwerken für die Rote-Teufel-Mannschaft. Dabei war deren Leistung gegen Frankreich nicht so stark wie gegen Brasilien – in der zweiten Halbzeit hatte sie diesmal auch kein offensives Feuerwerk abgefackelt.

Dennoch twitterte Bart Somers, Bürgermeister von Mechelen, einer 90.000-Einwohner-Stadt in der Nähe von Antwerpen: „Ich bin tierisch stolz auf unsere Roten Teufel. Sie brachten uns zusammen, zeigten, wie wertvoll Diversität sein kann, ließen uns träumen und jubeln, machten die halbe Welt eifersüchtig und brachten selbst mich dazu, Fußball zu gucken. Merci und bedankt.“

Zur politischen Dimension des Halbfinales merkte ein Kommentator der Tageszeitung De Morgen an: „Eines ist sicher: Wenn Belgien am 11. Juli verliert, werden in bestimmten Kreisen die Champagnerkorken knallen.“ Er spielte damit auf den jährlichen Feiertag der flämischen Region an, den die dortigen Separatisten gern als Nationalfeiertag bezeichnen. In Bezug auf die Hardcore­natio­nalisten mag De Morgen recht haben. Dennoch war an diesem 11. Juli die belgische Trikolore im nördlichen Landesteil erstmals häufiger zu sehen als der flämische Löwe.