neues aus neuseeland: flugzeugabsturz ohne sozis von ANKE RICHTER
:

In zwei Wochen wird gewählt. Das sagt sich so einfach. Aber wenn ich schon in Deutschland aus Verzweiflung kaum wusste, wo ich mein Kreuzchen machen sollte, dann weiß ich es als Erstwählerin im neuen Land noch weniger. Diesmal jedoch vor lauter Begeisterung. Es ist so ähnlich wie bei der Bestellung im Sushi-Restaurant: Alles sieht appetitlich aus, die Namen versteht eh keiner, und ob roter Kaviar oder roher Thunfisch – das nimmt sich nicht wirklich was. Also gehe ich mit freudigem Genuss an die Sache.

Dass ich als Kiwi-Bürgerin das Schicksal einer der „ältesten und stabilsten Demokratien“ in der Hand halte, erfahre ich aus der Sonderbeilage der Tageszeitung. Die erwähnt noch mal stolz, dass Frauen hier als erste der Welt das Wahlrecht genossen – sicher hilfreich, falls sich die Tatsache noch nicht bis zu den subantarktischen Inseln herumgesprochen hat. Weltferne Pinguin-Forscherinnen, die seit Jahrzehnten vom Einfluss auf das oben genannte Schicksal träumen, treten endlich befreit ans Licht: Seit 112 Jahren liegt der Stimmzettel bereit.

So wie’s ausschaut wird der Gang zur Urne ein einziges Happening, denn nichts Böses droht einem aus der Riege der Mächtigen. Das klingt zwischen Flensburg und Füssen schwer nachvollziehbar. Aber wenn man sich nicht mit Arbeitslosen, Schönbohms und Lafontaines herumschlagen muss, wenn also nichts Grobes ins Getriebe gerät – dann hat man auch an der Spitze Muße für die Feinheiten der Politik. Premierministerin Helen Clark, deren tiefe Stimme Testosteron-Überschuss verrät, bewährte sich in den letzten Wochen wieder als „Eiserne Lady“, wobei der Begriff von mir durchaus zärtlich gemeint ist. Die Probleme, die die Labour-Chefin zu meistern hat, liegen tief, tief in der Seele der Nation vergraben. Und deren größtes identitäts- wie rauschstiftendes Moment hat nur fünf Buchstaben: Rugby. Wer kann es da einem Staatsoberhaupt verübeln, wenn es auf schnellstem Wege ein Flugzeug erreichen will, das es zu einem wichtigen Spiel bringt? Die Einwohner der Küstenstadt Timaru, zum Beispiel. Weil Clarks Autotross nach einem Termin mit der unerhört überhöhten Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern Richtung Flughafen brauste, standen jetzt Fahrer und Polizisten vor Gericht. Niemand wurde verletzt, nicht mal ein Seitenspiegel geschrammt, aber drei Männer verurteilt. Die Landesmutter reagierte wenig zerknirscht. Doch die Zukunft der Sozis steht angesichts des Raser-Skandals auf dem Spiel.

Dabei hat Don Brash, der Konkurrent von der National-Partei, trotz Kamillentee-Stimme und Buchhalterbrille einen viel größeren Lapsus zu verantworten. Die Regionalkandidaten in Christchurch starteten ihre Kampagne mit riesigen Lautsprechern. Der Lärm riss einige Gäste des „Millennium“-Hotels aus dem Mittagsschlaf. Darunter eine Gruppe von Piloten, die sich für ihren nächsten Flug fitschlafen mussten. Den Rest kann man sich ja denken: Was im Ernstfall beim nächsten Jumbo-Flug hätte passieren können, und ob dann nicht die Konservativen für all die Toten beim Absturz verantwortlich wären.

Da bleiben einem doch nur noch die Grünen. Hoffentlich sind die hier ganz anders, sonst hat es sich mit dem Spaß.