Der Faktor Frau

VON COSIMA SCHMITT

Es sollte ein Großappell an die Frau in der Wählerin werden. Ein Versuch, mit Angela Merkel qua Geschlecht zu punkten. „Frauen für Merkel“, zu diesem Event lud die Union gestern in die Berliner Kulturbrauerei – ein Buhlen um jene Wankelmütigen, die sagen: Ich wähle eine Partei, schon weil sie eine Frau an der Spitze hat.

Die Veranstalter setzen auf Angie, den Popstar. Markige Rhythmen hämmern aus den Lautsprechern. Junge Frauen schwenken grell orangene „Angie“-Poster. Seniorinnen klatschen sich die Hände rot. Allzu viel Inhaltsschwere ist nicht vorgesehen, die Veranstalter setzen aufs Schulterklopfen von Frau zu Frau. Maria Böhmer, Vorsitzende der CDU-Frauen-Union, sprach vom „anderen Politikstil“, den „Frauen pflegen“. Die Zukunft sei weiblich, sagt ihre CSU-Kollegin Emilia Müller. Mit Merkel kehre „mehr emotionale und soziale Kompetenz“ in die Politik ein.

Das gestrige Event steht nicht allein da. Last minute müht sich die Union um Stimmenfang durch das Thema Frau – auch in einem Lager, das traditionell eher der Linken zuneigt. So gab Merkel der Emma ein umfassendes Interview. Und die Frauen-Union zitiert in ihrem Heft Frau & Politik die Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer mit einer Begründung, warum Deutschland „eine Frau an der Spitze braucht“.

Die Tendenzen verweisen auf eine neue Strategie. Wenn die Kanzlerkandidatin Merkel schon einen speziellen Ost-Wahlkampf abgelehnt hat – so lässt sich doch wenigstens ihr Frausein stärker vermarkten.

Dass es dabei gestern eher parolenlastig zuging, ist wohl kein Zufall. Selbst Unions-Wahlkämpferinnen wissen, dass Merkel bei Frauen vor allem mit einem punkten kann: mit ihrem eigenen Lebensweg. Mit den Posten, die sie errungen hat, und auch mit ihrem Partnerschaftskonzept: Karrierefrau mit beruflich erfolgreichem Mann.

Zum angreifbaren Terrain, was die Union in den politischen Konzepten Frauen zu bieten hat, schwiegen sich die Veranstalterinnen aus. Lang ist die Liste dessen, was sie gerade nicht thematisierten: dass das CDU-Wahlprogramm das Thema „Frau“ weitgehend ignoriert. Dass es wenig Ideen liefert, wie auch die Normalfrau einen Karriereweg à la Merkel schaffen kann. Und dass die Union zwar im Januar eine Frauen-und-Job-Kommission ins Leben rief, sie sogar emanzipatorisch in „Eltern, Familie und Beruf“ umbenannte – aber ihre Vorschläge keinen Eingang ins Wahlprogramm fanden.

So debattierten die Frauen denn auch gestern in Berlin nur über ein einziges konkretes Unionsvorhaben: die Bestrafung der Zwangsverheiratung muslimischer Frauen. Merkel sagte, dass „Multikulturalismus mit Sicherheit kein Zukunftsmodell sei“. Sie sprach sich dagegen aus, „Ehrenmorde unter dem Deckmantel einer anderen Kultur“ hinzunehmen, forderte, die Zwangsehe zum eigenen Straftatbestand zu machen. Der Beifall war ihr sicher, als Wahlplädoyer allerdings taugt dies kaum: Längst besteht parteiübergreifend der Wille, sich des Themas anzunehmen.

Mit einer größeren Schar renommierter „Frauen für Merkel“ konnte die Union auf der gestrigen Veranstaltung nicht aufwarten. Auf der Berliner CDU-Landesliste stehen lediglich drei Frauen. Die Veranstalter behalfen sich mit B-Prominenz, luden Ex-Ministerinnen anderer Bundesländer. Auch die Vizepräsidentin des Juristinnenbundes und die Filmproduzentin Regina Ziegler waren dabei. Doch schon die Buchautorin und Soziologin Necla Kelek, geladen als Expertin für die muslimische Frau, übte sich im Winden und Ausweichen. Sie sei „in keiner Partei“, betonte Kelek. Die Union habe „über Jahre Integration mit ihrer Politik verhindert“. Sie hoffe, dass der neue Reformwille „nicht nur Wahlkampfmunition ist“. Eine große Frauenoffensive der Union war gestern zumindest kaum erkennbar.