Wer selber dreht, raucht billiger – noch

Die Tabaksteuer zeigt erste Wirkung: Vor allem Jugendliche rauchen weniger Zigaretten aus Fabrikherstellung. Doch Experten beklagen, dass Süchtige auf billigen Feinschnitt-Tabak umsteigen. EU-Gerichtshof könnte Regierung bald zum Handeln zwingen

BERLIN taz ■ Es läuft gerade gut für Martina Pötschke-Langer. Zum einen dürfte sich die Ärztin vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) freuen, dass im September die nächste Stufe der Tabaksteuererhöhung in Kraft tritt. Damit wird jede Zigarette abermals um 1,2 Cent teurer. Zum anderen kann Pötschke-Langer, die mit dem DKFZ seit Jahren mittels Kampagnen und Aufklärung gegen die Nikotinsucht kämpft, endlich eine gute Nachricht verkünden: Die Tabaksteuererhöhungen der letzten beiden Jahre zeigen Wirkung.

2003 wurden noch rund 133 Milliarden Fabrikzigaretten verkauft. Diese Zahl nahm bis 2004 bereits um 15 Prozent ab. Für 2005 rechnen die Zigarettenhersteller mit einem weiteren Rückgang auf etwa 93 Milliarden.

Zwar hat der Verkauf der so genannten Feinschnittzigaretten – selbstgedrehte Zigaretten und zusammensetzbare Sticks – um 13 Milliarden Stück zugenommen. Unterm Strich aber bleibe ein Minus von rund 20 Milliarden Zigaretten, so Pötschke-Langer, die besonders erfreut darüber ist, dass vor allem Jugendlichen der Griff zur Zigarette schwieriger gemacht werde: „Das Rauchverhalten auf dem Kindermarkt hat sich komplett geändert.“ Entsprechend sei die Quote der Raucher zwischen 12 und 17 Jahren von 28 Prozent im Jahr 2001 auf 20 Prozent gesunken, wie eine Untersuchung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergab.

Ungeachtet dieser Zahlen sind vor allem die Finanzpolitiker der Parteien nicht von den Folgen der Tabaksteuer begeistert. Statt der anvisierten Mehreinnahmen, mit denen versicherungsfremde Leistungen wie Schwangerschaftsabbrüche und Mutterschaftsgeld in der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden sollen, gab es ein Minus. So sind die Einnahmen im vergangenen Jahr von 14,1 Milliarden Euro auf 13,6 Milliarden gesunken. Auch für 2005 wurden die Prognosen von rund 16,5 Milliarden auf 14 Milliarden heruntergeschraubt.

Ein Grund für den Steuerrückgang ist, dass viele Raucher auf den weitaus geringer besteuerten Feinschnitt umgestiegen sind. Kein Wunder: Während eine Fabrikzigarette 2004 mit über 11 Cent besteuert wurde, lag der Satz für eine Feinschnittzigarette nur bei etwa 3 Cent. Dass die Politik dennoch nicht reagiert hat, ist für Rolf Rosenbrock, Fachmann für Prävention beim Wissenschaftlichen Zentrum Berlin, ein „Skandal“. „Europaweit ist das einzigartig.“ So richtig erklären, warum der Feinschnitt weitaus niedriger besteuert wird, kann hierzulande niemand. „Lobbyismus“ – sagen Beobachter hinter vorgehaltener Hand. Tatsächlich kommen die vermeintlichen Konkurrenzprodukte zum Teil von den gleichen Herstellern. Man sei damit im Finanzministerium den Wünschen der Tabakindustrie entgegengekommen, vermutet Pötschke-Langer.

Zurückzuführen sind die rückläufigen Steuereinnahmen aber auch auf Schmuggel und legalen Einkaufstourismus. Beides habe drastisch zugenommen, wie Zahlen des Zollkriminalamts belegen. Habe man 2004 insgesamt 418 Millionen illegale Zigaretten sichergestellt, seien es allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres weit mehr als 500 Millionen Stück gewesen. Erstmalig wurden dabei auch illegale Fabriken in Deutschland entdeckt. „Mit jeder Tabaksteuererhöhung wird der Anreiz für Schmuggler größer, weil die Gewinnspanne zunimmt“, so ein Sprecher der Behörde.

In den Regierungsfraktionen hält man trotz der Einnahmeeinbrüche an der nächsten Steuererhöhung zum September fest. Zudem müsse laut dem SPD-Gesundheitsexperten Klaus Kirschner über eine Angleichung der Feinschnittbesteuerung nachgedacht werden: „Mir ist es lieber, die Steuern sinken und die Leute rauchen weniger.“ Die Chancen dafür sieht er in seiner Fraktion aber nur bei „fünfzig/fünfzig“.

Wie es mit der Tabaksteuer unter einer schwarz-gelben Regierung weitergehen würde, ist offen. Die FDP will die nun in Kraft tretende Steuererhöhung rückgängig machen. Einer stärkeren Besteuerung des Feinschnitts erteilt der FDP-Gesundheitspolitiker Detlef Parr eine klare Absage: „Steuererhöhungen mit erzieherischer Wirkung wird es mit uns nicht geben.“

Anders sehen das die Gesundheitspolitiker der Union. „Die nächste Stufe tritt in Kraft und die wird keiner zurücknehmen“, sagt CDU-Experte Andreas Storm. Zugleich will er eine Angleichung der Feinschnittsteuer nicht ausschließen. Man müsse über „die Struktur der Tabaksteuer nachdenken, um Substitutionseffekte zu vermeiden“. Derzeit aber sei dies kein Thema.

Das könnte sich schnell ändern. Denn bis Ende des Jahres wird das Urteil des Europäischen Gerichtshof zu einer Klage der Europäischen Kommission erwartet. Diese hatte Deutschland Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der unterschiedlichen Besteuerung von Sticks und Fabrikzigaretten vorgeworfen. Beobachter gehen davon aus, das sich die Kommission damit durchsetzen wird. Dann ist die Politik gezwungen zu handeln. TB