ALF schlägt zu: Versuchstierfarm macht dicht

Nach sechs Jahren Dauerfehde mit militanten Tierschützern gibt britischer Meerschweinchenfarmer endgültig auf

BERLIN taz ■ Am kommenden Samstag soll gefeiert werden. Mit einer landesweiten Demonstration im nordenglischen Burton on Trent feiern militante Tierschützer ihr nach sechs Protestjahren erreichtes Ziel: Die Besitzer der Darley Oaks Farm in Newchurch haben angekündigt, ihre Meerschweinchenzucht endgültig aufzugeben.

Seit 30 Jahren züchtete der Familienbetrieb in den Midlands Meerschweinchen für Tierversuche. 1999 waren Tierschützer auf die Farm aufmerksam geworden und begannen die Familie Hall zu terrorisieren. Ein Sprecher der Kampagne „Stoppt die Newchurch Meerschweinchen“ (Save the Newchurch Guinea Pigs/SNGP) triumphierte nach der Bekanntmachung: „Das ist der schönste Tag meines Lebens und ein großer Sieg für die Tierschutzbewegung“. Im letzten Jahr attackierten Tierschützer die Darley Oaks Farm an die 450 Mal, über 60 Leute wurden verhaftet. Die Polizei gab zur Sicherung der Farm und des Dorfes Hunderte Millionen Pfund aus. Den Tierversuchsgegnern war keine Methode zu schade, um ihrem Protest Ausdruck zu geben. 1999 fing alles damit an, dass sie die Meerschweinchen stahlen. Dann bezichtigten sie Familienmitglieder der Pädophilie und verschickten Hass-Mails. Später gingen sie dazu über, Strom- und Telefonleitungen der Halls zu kappen, Brandsätze auf das Grundstück zu werfen und alle mit der Familie in Kontakt stehenden Personen und Einrichtungen zu bedrohen. Die Halls mussten auch ihre Milcherzeugung einstellen, da ihre Abnehmer unter dem Druck der Tierschützer die Verträge aufkündigten. Als dann im Oktober 2004 auch noch die verstorbene Schwiegermutter von Christopher Hall aus ihrem Grab entführt wurde, war das Maß voll. In der Bekanntmachung der Familie Hall heißt es jetzt, man hoffe, durch die Schließung den Leichnam der 82-jährig Verstorbenen wiederzubekommen.

Die Meerschweinchen-Schützer streiten den Leichenraub ab. Als Drahtzieher hinter der SNGP wird die radikale Tierschützergruppe ALF (Animal Liberation Front) vermutet. Sie gilt als militanteste Tierschutzorganisation der Welt. Ihre Mitglieder befreien Versuchstiere, bedrohen Personen und Gebäude, beschädigen oder zerstören Fahrzeuge sowie Geräte, die mit der Ausbeutung von Tieren in direktem oder indirektem Zusammenhang stehen. Die ALF-Strategie setzt darauf, dass der finanzielle Aufwand für Sicherungsmaßnahmen den Forschern zu groß wird, so dass sie ihre Projekte aufgeben. Auf diese Weise sind in den letzten Jahren schon etliche Investoren aus Großbritannien vertrieben worden.

Wissenschaftler und Unternehmer – oft selbst Opfer von Tierschützerattacken – bezeichneten die Schließung als „Tragödie“. Das Handeln der Tierschützer sei unverantwortlich. Die von ihnen geforderte strengere Bestrafung der Aktivisten ist seit Juli gesetzlich möglich. So kann nun ein Sabotageakt gegen eine wissenschaftliche Einrichtung mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden.

Tierzüchter befürchten aber weiter Aktionen aus dem ALF-Umfeld: Auf der Liste der SNGP stehen noch sechs Meerschweinchen-Zuchtbetriebe. Hauptziel der Aktivisten ist außerdem ein im Bau befindliches Primatenzentrum, dass Laboraffen für die Universität Oxford liefern soll. Die Regierung trägt mittlerweile die Sicherungskosten für den Bau, nachdem eine der beteiligten Firmen auf Grund von Drohungen militanter Tierschützer abgesprungen war.

Die Halls haben dagegen endgültig die Nase voll: Bis zum Jahresende wollen sie die Meerschweinchenzucht jetzt phasenweise zurückfahren. Die Farm soll dann auf traditionelle Landwirtschaft umgestellt werden.

SUSANNE GÖTZE