Seid umschlungen, Milliarden!

Was ein Grund zur Freude sein müsste, löst in der Koalition einen Zwist aus: Was tun mit dem Überschuss im Landeshaushalt?

Von Stefan Alberti

Das rot-rot-grüne Regierungsbündnis streitet darüber, was mit dem absehbar milliardenschweren Haushaltsüberschuss passieren soll. Vorwiegend zur Schuldentilgung nutzen, wie es Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) möchte? Oder ausgeben und die Finanzplanung mit einem sogenannten Nachtragshaushalt updaten, wie es die Linkspartei will? Eine Antwort sucht an diesem Mittwoch der Koalitionsausschuss, in dem die führenden Köpfe von SPD, Linkspartei und Grünen sitzen.

1,2 Milliarden Euro werden am Jahresende übrig sein, war am Dienstag von Finanzstaatssekretär Klaus Feiler zu hören. 800 Millionen Euro davon will die Finanzverwaltung nutzen, um den Schuldenberg von 58 Milliarden weiter zu verringern, der Berlin trotz Niedrigzinsphase derzeit jährlich 1,3 Milliarden an Zinsen kostet. Nach dem von der Linkspartei gewünschten Nachtragshaushalt gefragt, sagte Feiler über die bisherige Beschlusslage im Senat: „Es gibt keinen Auftrag an die Finanzverwaltung, einen Nachtragshaushalt aufzustellen.“

Hintergrund ist, dass die Berliner Finanzlage etwas Schizophrenes hat – denn wie passt das zusammen, Überschüsse zu machen und gleichzeitig auf Riesenschulden zu sitzen? Es geht, weil Landeshaushalte nur Einnahmen und Ausgaben eines Jahres betrachten: Da ist Berlin seit sieben Jahren im Plus und macht statt neuer Schulden Überschüsse. Die fließen bislang teils in die Tilgung, teils in einem Topf für besondere Investitionsvorhaben namens Siwana.

Gleichzeitig aber ist Berlin weiter hoch verschuldet, obwohl es in den vergangenen Jahren fast 3 Milliarden Euro getilgt hat. Die verbleibenden 58 Milliarden erscheinen manchem als so viel, dass es schier nicht lohnt, weiter abzuzahlen. Alles zu tilgen ist aus Sicht des Finanzsenators gar nicht nötig – 50 Milliarden hält er für handhabbar.

Das aber passt der Linkspartei nicht ins Konzept. Sie will einen Nachtragshaushalt und darin die Überschüsse einbauen. Sie argumentiert, man müsse die Zeiten, in denen für Schulden vergleichsweise niedrige Zinsen anfallen, für Investitionen nutzen. Denn etwa eine mit jedem Jahr des Wartens teurer werdende Brückensanierung anzugehen sei der bessere Schuldenabbau. Einer, von dem die Bürger direkt profitierten.

Das Problem ist bloß: Schon bislang bekommt Berlin all das Geld, das für Investitionen vorgesehen ist, gar nicht ausgegeben, weil Planer fehlen und zu wenig Baufirmen zu haben sind. Letzteres ist eher Grünen-Sicht, und so sah es bislang neben Finanzsenator Kollatz der maßgebliche Teil der SPD. Nun aber gibt es auch dort den Wunsch, dauerhaft mehr Geld auszugeben: für höhere Einkommen der Landesbediensteten.

Das ist die Ausgangslage, wenn der Koalitionsausschuss an diesem Morgen tagt. Regierungs- und SPD-Landeschef Michael Müller ist allerdings nicht dabei: Er flog am Dienstag in seiner Eigenschaft als ausscheidender Bundesratspräsident nach Australien.