kabinenpredigt
: Kionkte am Ball

Tag der offenen Tür in den Bundesministerien und im Kanzleramt: Am vergangenen Wochenende war die gesamte Berliner Republik auf Fußball geschaltet. Die eigens dafür geschaffene „WM-Route 2006“ führte vom Innenministerium schnurstracks nach Kreuzberg – dort wird schließlich Straßenfußball-WM stattfinden.

Nur schade für Rot-Grüns Fußballminister Otto Schily (SPD), der die von ihm so geliebte Weltmeisterschaft wohl als Politrentner erleben muss. Das gleiche Schicksal blüht wohl auch seinem Parteigenossen und Kanzler Gerhard Schröder – ebenfalls ein bekennender Fußballfan: In der Vergangenheit kickte er gern mal die Kugel zwischen den Fängen eines überforderten E-Jugend-Torhüters hindurch und hinein in die Visage des armen Jugendfußballers. Das Motto des Kanzlers: Fair play, fair life.

Auch sein Vorgänger im Amt, Helmut Kohl, wie Schröder einst passionierter Kreisjugendfußballer, spielte gern pressewirksam Fußball Das bringt uns geradewegs zur Kanzler(innen)frage: Was hat der Fußballinteressierte zu erwarten, wenn es eine neue Politclique in die Regierung schafft?

Ich wollte es wissen und schrieb eine Mail an Angela Merkels Internetseite, wo ich diesbezüglich keine Hinweise fand. Mailadresse: info@cdu.de. Anfrage: Ich komm mir jetzt echt blöd vor, aber ich habe in der taz eine Sportkolumne, und sicher wissen Sie doch auch, dass der vorige Kanzler Helmut Kohl eine gepflegte Kugel in die Torwand ballerte; und auch sein Nachfolger Schröder – Sie wissen es – hat sich gern beim Fuß-Ballern ablichten lassen, der war Mittelstürmer zu Schülerzeiten, ein ziemlich guter sogar. Nun meine Frage: Was passiert, wenn Frau Merkel Kanzlerin wird? Hat sie praktische Fußballkenntnisse? Muss sie die Aufgabe delegieren? Mit Bitte um Antwort, freundlichst Ihr Jürgen Kiontke.

Was soll ich sagen? Auf die Antwort warte ich noch heute. Und irgendwie glaube ich: Die kommt gar nicht mehr. Aus Sportlersicht muss ich daher sagen: Volkssportnahe Parteien sind CDU und FDP nicht. Wie soll Angela Merkel da ein ganzes Kreisklasse-Land regieren?

Und wahrscheinlich wird ein „Tag der offenen Tür“ in den Bundesministerien unter einer neuen Regierung dann gänzlich fußballlos abgehen. Umd es in der Spracher der Spieler zu sagen: Diese Partie scheint abgepfiffen, bevor sie überhaupt anfängt. Der Fußball, so spielt das Leben, wäre endlich in der Gosse gelandet.

Jürgen Kiontke