press-schlag
: Das Aushalten
von Widersprüchen

Werder droht einem AfD-nahen Fan mit Dauerkartenentzug. Ein verheerender Fehler

Wie sich Fußballmannschaften fahrlässig um den eigenen Erfolg bringen, kann man eigentlich jedes Wochenende beobachten. Zu unabwägbar ist dieses Spiel. Wie sich nun aber Werder Bremen offenbar um seine vorbildhafte Position im Umgang mit der AfD gebracht hat, ist sehr ärgerlich. Denn es wäre leicht vermeidbar gewesen.

Eine prima Vorlage hat Werder Bremen der Liga geliefert. Verständlich hat man dargelegt, dass das Fußballstadion kein politikfreier Raum ist, dass auch in die Arenen gesellschaftliche Konflikte mit hereingetragen werden, denen man nicht durch Schweigen begegnen kann. Wer etwa bei rassistischen Vorfällen wegsieht, ergreift auch Partei. Und doch hat Werder sich nicht verführen lassen, Populismus mit Populismus zu begegnen. Der Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald erklärte, man wolle AfD-Wähler nicht aus dem Stadion ausschließen, sie sollten sich jedoch mit der Haltung des Vereins auseinandersetzen und „vielleicht überzeugen lassen, sich doch für eine offene, tolerante Gesellschaft ohne Ausgrenzung (…) einzusetzen“.

Ein Mitglied von Werder Bremen, das eigenen Angaben zufolge seit über 30 Jahren eine Dauerkarte hat, trat nun aus dem Verein aus. Man hätte Herrn Hess-Grunewald dazu gern gratuliert. Schließlich hat sich da jemand dazu bekannt, dass er sich nicht von einer Haltung für eine tolerante Gesellschaft überzeugen lassen möchte. Aus seiner Sicht verletzt diese Haltung und ihre Verknüpfung mit einer Bewertung der AfD-Politik, das Gebot der politischen Neutralität, der sich der Klub in seiner Satzung verpflichtet habe. Allerdings sind Werte wie Fairness und Toleranz, der sich alle Bundesligavereine verschreiben, per se auch politisch.

Der Vereinsaustritt des einstigen Werder-Mitglieds spricht für sich selbst. Nun jedoch hat der Werder-Präsident, wie die Tageszeitung Die Welt berichtete, sich auf einen Mail-Dia­log mit dem Empörten eingelassen, indem er die Möglichkeit in Aussicht stellt, dass dieser künftig auch das Anrecht auf seine Dauerkarte verlieren könnte. Zwei Gründe führt er an. Dauerkarten könnten künftig nur noch an Vereinsmitglieder vergeben werden, und die Zahl derer, die sich mit den Werder-Werten identifizieren würden und Dauerkarten wollten, sei sehr hoch.

Auch wenn Hess-Grunewald grammatikalisch gesehen die Möglichkeitsform nutzt, kann dies als Versuch der Ausgrenzung von Stadionbesuchern verstanden werden, die möglicherweise rassistische, nicht-demokratische Vorstellungen haben. Dabei hatte der Werder-Präsident doch den klugen Weg gewählt, den Populismus und die Ausgrenzung der AfD und seinen Anhängern zu überlassen. In diesem Sinne wäre es weise gewesen, die sich selbst entlarvende Kündigung der Werder-Mitgliedschaft dankend anzunehmen und den Dauerkartenwunsch wie alle anderen in so einem Fall auch zu behandeln.

Auf der Tribüne ist der AfD-nahe Werder-Fan künftig weiter dem Widerspruch zwischen seinen Vorstellungen und denen seines Lieblingsvereins ausgesetzt. . Johannes Kopp