Ich bin ein Flüchtling und auch ich habe Privat-sphäre

Nada Karakar: „Ich habe meinen eigenen Lebensstil und ich bin glücklich damit“ Foto: Dagmar Morath

Zwischen hier und dort hatte ich eine mit Gefahren verbundene Reise hinter mich gebracht, in der Hoffnung, dass ich eines Tages an einem sicheren Ort ankomme, an dem ich meine Träume verwirklichen kann.

Die Sicherheit war nicht die einzige Bedingung, um diesen Traum zu realisieren.

Als ich in Deutschland, eben als Flüchtling, ankam, in diesem sicheren Land, schickte man mich zunächst, wie alle anderen Flüchtlinge, in eine weit abgelegene Gegend. Ich hatte das Gefühl, ich wäre im Exil. Ich dachte mir zunächst, ich hätte nicht das Recht, wie die anderen in einer Stadt zu leben. Und darüber hinaus hätte ich nicht das Recht, über mein Schicksal mitzubestimmen.

In meinem Heimatland zwang mich der Krieg, das Land zu verlassen. Und so habe ich mein Land verlassen. Hier legten die zuständigen Behörden meinen Aufenthaltsort fest und legten mir auf, den Ort nicht zu verlassen. Ich fügte mich der Vorschrift.

Ich versuchte mich zu akklimatisieren. Aber wie kann das vonstatten gehen? Und wie sollte ich mich akklimatisieren? Jeder wollte aus mir eine Kopie von sich machen, mit der Begründung, ich sollte mich integrieren. Und jeder definiert den Begriff Integration auf seine Art und Weise. Ich ging dabei zwischen den verschiedenen Bedeutungsfeldern verloren.

Man sagte mir: Integration ist Sprache lernen. Ich lernte die Sprache.

Und man sagte: Integration ist Respekt gegenüber den Gesetzen. Ich machte mich mit den Gesetzen dieses Landes vertraut und respektiere sie, so wie ich denjenigen respektiere, der mir das sagte.

Dann sagten sie zu mir: Integration ist Respekt vor sozialen Gebräuchen und Normen. Schön. Wir haben auch unsere sozialen Gebräuche und Normen und wir respektieren auch diese.

Am Ende stellte ich fest, dass ich eine einzige Möglichkeit hatte, nämlich nur auf die Art zu leben, wie man es mir vorschreibt. Ich sollte mir den Lebensstil zu eigen machen, der mir auferlegt wurde: ihre Musik hören, ihre Speisen essen und mich nach ihrem Geschmack kleiden. Das Wichtigste für sie aber ist, dass ich auf meine Kopfbedeckung verzichte, denn sie passt ihnen nicht.

Das wollte ich nicht, denn ich habe meinen eigenen Lebensstil und ich bin glücklich damit. Ich lehnte ihre Beschlüsse ab und somit wurde ich als „nicht integriert“ bezeichnet. Man nennt mich einen undankbaren Flüchtling. Es verbreitete sich die Nachricht, dass ich eine Kranke sei, integrationsunfähig und nicht in der Lage, mich mit den anderen zu verstehen. Das alles nur, weil ich nicht das tat, was mir nicht passte.

Ich liebe die anderen und freue mich, mit ihnen zu kommunizieren. Aber ich habe es nicht gern, mich in die Privatsphäre und Lebensweise der anderen einzumischen, weil ich es nicht gerne habe, dass jemand sich in meinen privaten Lebensbereich einmischt und meine Freiheit einschränkt.

Alles, was ich erwarte, ist, dass sie mich wie einen gleichwertigen Menschen behandeln. Wie sie ihre Privatsphäre haben, die ich respektiere, möchte auch ich Privatsphäre haben. Nada Karakar