Männer im Schwebezustand

LITERATUR In seinem Erzählband „Monster“ lässt der Hamburger Autor Benjamin Maack mit viel erzählerischer Raffinesse die Ängste und Sehnsüchte seiner jungen Protagonisten aufscheinen

Den Handlungsimpulsen dieser Figuren wohnt eine traurige Passivität inne

„Und wo war jetzt eigentlich das Ungeheuer?“, ließe sich nach der Lektüre von Benjamin Maacks neuem Erzählband fragen. Denn wer in den Kurzgeschichten und kleinen Prosastücken mit dem Titel „Monster“ phantastische Grässlichkeiten erwartet, wird enttäuscht.

Überrascht wird er hingegen mit sieben gut erzählten Geschichten, in denen es dem Hamburger Autoren gelingt, einen Hallraum für Gefühlslagen und Stimmungen zu erzeugen, die im Leben allzu schnell verklingen.

Im Zentrum der Geschichten steht jeweils eine männliche Figur, die den Vornamen des Autors trägt. Ob als Kind oder als junger Erwachsener, eines haben diese Benjamine gemeinsam: obgleich sie die Außenwelt und sich selbst sensibel beobachten, sind sie doch auf eine unmerkliche, aber konstante Weise von all dem isoliert.

In der ersten Erzählung besucht ein Laborassistent, der gerade seinen Job verloren hat, ein befreundetes Paar. Abgeschieden irgendwo im Harz lebt es in einem alten Landhaus. Auf dem Hinweg überfährt er mit seinem Wagen eine Eule. Heillos überfordert legt er das tote Tier in den Kofferraum. Es wird ihn sodann nicht mehr loslassen, er hat die Eule im Gepäck. Sie wird ihn bis in seine Träume verfolgen, während er immer weiter in den Mikrokosmos von zwei Menschen eindringt, bei denen er im Grunde nichts verloren hat.

Der Protagonist einer anderen Erzählung arbeitet einen Sommer lang als Housekeeper für ein reiches Ehepaar, das die Welt umreist. Trotz der leichten Tätigkeit und einer interessanten Bikini-Schönheit im Nachbarhaus zieht er sich schrittweise zurück und durchlebt in der luxuriösen Behausung eine Art innerliche Winterstarre. Mehr und mehr vernachlässigt er seine Aufgaben und treibt wurzellos durch die Tage. Am Ende wird ihm klar, dass der seltsame Baum im Garten des Anwesens, der mitten im Hochsommer nicht aufhören will, seine Blätter zu verlieren, mehr mit ihm gemein hat als ihm lieb ist.

Während sich die eine Sorte Hauptfiguren in diesen Erzählungen eigensinnig auf Dinge versteift, die dann schiefgehen, will die andere nichts wollen – und das geht genauso schief. Es sind junge Männer im Schwebezustand, die das Geschehen so erleben, als wären es nicht sie, denen all das widerfährt. Den Handlungsimpulsen dieser Figuren wohnt eine traurige Passivität inne – eine Melancholie, die noch nichts von sich weiß.

Einmal behauptet ein Ich-Erzähler: „Ich bin ein guter Erwachsener, weil ich die richtigen Geschichten erzähle.“ Und man möchte ihm das gern glauben. Als vielreisender Geschäftsmann weiß er nämlich, wie man mit wohldosierten Anekdoten Sympathiepunkte bei Geschäftspartnern erzielt. Doch diese Selbstaussagen werden immer wieder von einer Kindheitserinnerung unterbrochen, die in ihrer Schlichtheit all jene Aussparungen erahnen lässt, die für immer unerzählt bleiben werden, weil sie in diesem erwachsenen Leben offensichtlich zu den falschen Geschichten zählen.

In fast jeder von Benjamin Maacks Erzählungen gibt es Tote. Doch es sind weniger diese Unglücksfälle, die einen in den Bann ziehen: Es sind die präzisen Beschreibungen eines Ausbruchsversuchs aus der harmlosen Oberfläche der Verhältnisse. Manchmal mit minimalen Gesten des Widerstands, die nur für einen Augenblick monströse Ängste und Sehnsüchte aufscheinen lassen.

Daran ändern auch die schelmischen Zwischentexte nichts. Die kann man beim nächsten Mal einfach weglassen. Der Hamburger Mairisch-Verlag ist für seinen neuen Autor nur zu beglückwünschen.SAMUEL MOON

Benjamin Maack: „Monster“, Mairisch, Hamburg 2012, 192 Seiten, 16, 90 Euro nächste Lesung: 27. 9., 20 Uhr, Club 20457, Osakaallee 6–10, Hamburg