Kioto und die Alpenflut
: KOMMENTAR VON NICK REIMER

Sommer 2002: Italien, Spanien und die Türkei leiden unter extremer Hitze. In Rumänien, über den Alpen und schließlich im Erzgebirge kommt es zu gewaltigen Überschwemmungen. Drei Jahre später dasselbe Bild: Während auf der Iberischen Halbinsel die Wälder brennen, fluteten Wassermassen erst in Rumänien und dann im Alpenraum. Auch der Oderflut 1997 ging eine extreme Trockenheit am Mittelmeer voraus. In „5b-Wetterlagen“ saugt sich heiße Luft über dem Mittelmeer mit Wasser voll, um sich dann sintflutartig über den kalten Norden zu ergießen.

Wird das jetzt zur Regel? Tatsächlich sehen Klimaforscher einen Zusammenhang: Der Ausstoß des Klimakillers Kohlendioxid erwärmt die Atmosphäre, und je wärmer sie wird, umso mehr Wasser nimmt sie auf. Allerdings: Belegbar ist diese Theorie bisher nicht. Deswegen geht es ihr wie bis tief in die Neunzigerjahre der Klimadiskussion: Solange nur vermutet wurde, nicht aber bewiesen war, dass Kohlendioxid überhaupt in irgendeiner Weise die Atmosphäre beeinflusst, blieb die Politik untätig – ein Jahrzehnt lang, und dies nur allzu gern, um sich nicht mit der Wirtschaft anzulegen. Heute zweifelt niemand mehr am Klimakiller CO2. Allenfalls der genaue Verlauf und die Auswirkungen der Klimaerwärmung sind noch strittig.

Jetzt droht das Gleiche im regionalen Maßstab – die zunehmende Zahl und Heftigkeit von Hurrikans in der Karibik oder eben die häufigeren 5b-Wetterlagen in Europa treiben die Klimaschutzpolitik kaum voran. Die Strafe dafür trifft uns alle – weil fühlen muss, wer nicht hören will. Einerseits predigen die Forscher, die Klimaziele von Kioto können nur ein Anfang sein. Andererseits schafft die EU nicht einmal die dort festgelegte Minderung von CO2-Emissionen. Einerseits steigen die Schäden. Andererseits will der BDI ganz aus dem Klimaschutz aussteigen – und die Bauwirtschaft freut sich, die Bergtäler mit neuen Rückhaltebecken zubetonieren zu dürfen.

Die Flut zeigt, dass Umweltschutz kein Luxusthema ist. Doch die Zeit verstreicht – und manches spricht dafür, dass es noch wesentlich schlimmere Wetterkapriolen geben kann als die von 5b. Auch wenn dies noch eines Beweises bedarf.