„Wenn sich da vor Ortetwas zusammenbraut“

Mehr Polizisten, mehr Security, flächendeckende Videoüberwachung und nun auch noch mehr Licht: Bremen will Nordafrikaner und Trinker vom Bahnhofsvorplatz vertreiben

Abseits des Lichts: die Tischtennisplatten im Schanzenpark bei Nacht Foto: Miguel Ferraz

Von Simone Schnase

Den Menschen werde es ein Gefühl der Sicherheit geben und „für ein schöneres Entree“ sorgen, sagte Anfang des Monats Bremens Bürgerschaftsdirektor Christian Weber (SPD) über das neue Lichtkonzept am Bremer Hauptbahnhof. „Und Frauen brauchen sich keine Sorgen mehr machen,“ konnte er sich ebenfalls nicht zu sagen verkneifen, was die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm zu der Spitze hinriss: „Nicht nur Frauen sorgen sich, auch Männer haben Angst an dunklen Orten.“

Dunkle Orte, nun ja. Immerhin geht es hier um den Bremer Hauptbahnhof, der neben seiner eigentlichen Funktion eine überdachte Querung und Einkaufspassage ist und dessen Vorplatz an einem Knotenpunkt des öffentlichen Personennahverkehrs anschließt. Sehr belebt und durchaus beleuchtet also, draußen wie drinnen. Und ein „schönes Entree“ hat der Hauptbahnhof Bremen allemal: Nicht ohne Grund wurde er 2012 zum „schönsten Bahnhof Deutschlands“ gekürt.

Um was es hier eigentlich geht, ist ein neues und viel kritisiertes Sicherheitskonzept. Es gebe vor dem Bahnhof „eine Melange aus Nordafrikanern, die auch kriminell unterwegs waren“, sagte dazu im Frühjahr bei der Ankündigung des Konzepts Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Hinzu seien andere Gruppen gekommen, die für Verunsicherung gesorgt hätten: Drogenabhängige und Trinker.

Seit Oktober patrouilliert nun ein neuer Sicherheitsdienst am Bahnhof, die Polizei ist mit doppelt so vielen Kräften auf Streife wie im Vorjahr. Die Maßnahmen, sagte Mäurer bei der Präsentation der Neuerungen, richteten sich besonders gegen Dealer, aber auch gegen „Menschen, die unseren Bahnhof verschandeln, indem sie alles unter sich fallen lassen oder in die Ecken urinieren“. Vermüllung, Wildpinkeln, Trinkgelage und Campieren auf dem Bahnhofsvorplatz wolle man unterbinden.

Dabei helfen sollen nicht nur Uniformierte und gemeinsame Ermittlungsgruppen aus Landes- und Bundespolizisten, sondern auch Videokameras: Zu den rund 90 im vergangenen Jahr von der Bundespolizei im Bahnhofsgebäude installierten Kameras kamen im Juli mehrere Dutzend Kameras auf dem Bahnhofsvorplatz hinzu. Acht Personen wachen rund um die Uhr vor Bildschirmen in einer Videozentrale.

Mitte Oktober wurde dann noch einmal aufgerüstet: Ein Polizeifahrzeug mit Kameraturm soll seither „den sich dort entwickelnden offenen Drogenhandel“ eindämmen. Der fand vorher im Umfeld der im Sommer installierten Videokameras statt.

„Mehr Kameras bedeuten nicht automatisch mehr Sicherheit. London ist zum Beispiel die Stadt mit den meisten Videokameras, aber der höchsten Attentatsdichte“, sagt Peter Zenner, innenpolitischer Sprecher der Bremer FDP-Fraktion. Sowohl die FDP als auch die Linksfraktion bemängeln eine fehlende Evaluation der bisherigen Videoüberwachungen in Bremen. Die datenschutzpolitische Sprecherin der Linken, Miriam Strunge, kritisiert den Ausbau der Videoüberwachung mit dem Hinweis auf fehlende Belege dafür, dass Kameras zu Abschreckung und Täterermittlung taugten. In anderen Städten hätte sich gezeigt, dass mehr Kameras die Kriminalität nicht gemildert hätten.

Ein Fall für die Lichtpolitik: Schanzenpark in Hamburg, Ausgang Richtung U-Bahnhof Schlump Foto: Miguel Ferraz

„Dummes Zeug“ nannte das gegenüber Radio Bremen Innensenator Mäurer, denn schließlich würden die Kameras ja in einer Leitzentrale rund um die Uhr kontrolliert. So könne man erkennen, „wenn sich da vor Ort etwas zusammenbraut“.

Dabei behilflich soll auch das neue Lichtkonzept sein, das Anfang des Monats in Betrieb genommen wurde. Mit 52 neuen LED-Lampen wurden die alten Laternen am Hauptbahnhof auf den neuesten Stand gebracht – fernsteuerbar aus der neuen Videozentrale: Bei Bedarf kann das Licht von dort aus auf die 2,5-fache Stärke hochgefahren werden.

Es geht also nicht um ein „schöneres Entree“ – oder doch? Immerhin hat der Hamburger Lichtkünstler Michael Batz an dem neuen Konzept mitgearbeitet. Er hatte bereits zur Fußball-WM 2006 den Berliner Reichstag hübsch illuminiert sowie das Schloss Bellevue, später dann auch die Hamburger Elbphilharmonie und das Kölner Rheinufer.