Lösung für den Textilknoten gesucht

Die EU-Kommission und die Regierung in Peking bemühen sich mal wieder darum, den Streit um Kleiderimporte zu beenden. Derweil lagern Millionen chinesischer Waren an den europäischen Grenzen. Die deutschen Modehändler fürchten Verluste

AUS BRÜSSEL RUTH REICHSTEIN

Büstenhalter, Hosen, Pullover –sie alle könnten knapp werden in europäischen Läden. Millionen chinesischer Textilien lagern derzeit an den Grenzen und können nicht an die Geschäfte ausgeliefert werden. Denn China und Europa streiten sich über Einfuhrstopps und Importquoten. Fieberhaft wird nun nach einer Lösung gesucht. Heute nehmen die Delegationen der Verhandlungspartner in Peking Gespräche auf.

Die EU-Kommission und die Regierung in Peking hatten sich im Juni angesichts eines drastischen Anstiegs der chinesischen Textileinfuhren auf neue Importschranken geeinigt. Zuvor war zum 1. Januar das alte Quotensystem ausgelaufen. Die europäische Industrie fürchtete die Dumping-Angebote des Konkurrenzlandes.

Doch die neuen Quoten sind zum Teil schon wieder ausgeschöpft. Nun leiden Importeure und Modeunternehmen. „Vor allem kleine Importeure müssen ihre Verträge mit den Chinesen einhalten“, sagt Thomas Rasch, Geschäftsführer des deutschen Modeverbands Fashion. Konkret: Die Händler müssen die Waren zahlen, obwohl der Zoll sie derzeit nicht freigibt. Rasch rechnet mit Verlusten in Millionenhöhe und auch mit einigen Firmenpleiten, „wenn nicht bald etwas passiert“.

Doch genau das scheint jetzt der Fall zu sein. Unter dem Druck der Industrie und einiger Mitgliedstaaten strickt die EU-Kommission an einer neuen Übergangslösung. Gestern trafen sich in Brüssel bereits Experten zum „informellen Meinungsaustausch“. Die Ergebnisse wollte die EU-Kommission einen Tag vor den Verhandlungen mit den Chinesen gestern allerdings noch nicht preisgeben. Ein Kommissionssprecher sagte nur: „Alle sind sich einig, dass dringend eine Lösung gefunden werden muss.“

Eine Möglichkeit wäre, die Quoten von 2006 schon in diesem Jahr zu beanspruchen. So könnten zumindest die Waren ausgeliefert werden, die beim Zoll festliegen. EU-Handelskommissar Peter Mandelson hält allerdings nicht viel davon: „Ich sehe nicht ein, dass sich die Händler nun beschweren, wenn es anfängt wehzutun“, sagte er gestern. Die Abkommen seien schließlich monatelang vorbereitet gewesen. Mandelson: „Alle wussten davon.“

Die Verhandlungen sind ohnehin schwierig. Denn die EU-Staaten sind sich untereinander nicht einig. Deutschland, die Niederlande und die skandinavischen Länder drängen auf eine Erhöhung der Quoten. Italien, Spanien und Griechenland wollen aber lieber an den strengen Beschränkungen festhalten. Sie fürchten, ihre eigene Industrie werde sonst durch die chinesischen Billigprodukte bedroht. Die Kommission bemüht sich nun um einen Mittelweg.

Der CDU-Europa-Abgeordnete Markus Pieper hält von allen Verhandlungen nichts: „Jetzt soll plötzlich wieder alles anders sein. Das geht so nicht.“ Als die EU beschlossen habe, den Textilmarkt für China zu öffnen, hätten sich die deutschen Unternehmen darauf eingestellt – und Verträge abgeschlossen. Er wendet sich auch gegen die geplanten Strukturprogramme, die die Textilindustrie in den südlichen EU-Staaten fördern sollen. Das sei „Wettbewerbsverzerrung“, sagt er. Das EU-Parlament soll im Herbst über ein entsprechendes Programm abstimmen.