Zu stark für die Schwachen

Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg führen die Erste Bundesliga souverän an und gegen den Hochmut anzukämpfen, scheint die schwierigste Aufgabe zu sein. Denn bessere Gegnerinnen gibt es in der Liga nicht

Von Christian Otto

Es klingt arrogant, wenn Ralf Kellermann über den deutschen Frauenfußball im Allgemeinen und die Entwicklung der Bundesliga im Besonderen urteilt. „Die Liga ist schwächer geworden“, findet der Vordenker des VfL Wolfsburg. Kellermann ist vom Erfolgstrainer zum Sportlichen Leiter aufgerückt. Er gilt als Vater von außergewöhnlichen Erfolgen. Es ist sein Verdienst, dass der VfL Wolfsburg so gut geworden ist. Über den Rest der Bundesliga zu urteilen, dass er sich schlecht entwickele, klingt überheblich. Auf den ersten Blick jedenfalls.

Die Erfolgsbilanz nach der Hälfte der Saison sagt alles. Als amtierender Meister und Pokalsieger führen die Frauen des VfL Wolfsburg die Erste Liga erneut souverän an. Keine Niederlage in 13 Partien, deutlich mehr als 50 Tore geschossen: Auf nationaler Ebene findet sich kaum ein Gegner auf Augenhöhe. Das liegt daran, dass es beim VfL Wolfsburg dank seines Hauptsponsors Volkswagen beste Rahmenbedingungen für Erfolge in Serie gibt. Und dank Kellermann gelingt es dem Verein, erstklassiges Personal zu finden und zu binden. Die Schwedin Pernille Harder, die Polin Ewa Pajor und die Norwegerin Caroline Hansen sind nur drei Beispiele dafür.

Wer so viele starke Nationalspielerinnen aus aller Welt beschäftigt, benötigt Ansporn, Wettbewerb und Rivalität. Kellermann findet: Seine starken Spielerinnen brauchen Herausforderungen. Ein Tabellenletzter wie Borussia Mönchengladbach, der in dieser Saison schon mehr als 60 Gegentore kassiert hat, mag da wie ein überflüssiges Ärgernis wirken. Von 22 Bundesliga-Partien pro Saison zählt die Mehrheit aus Sicht des VfL Wolfsburg zur Kategorie Selbstläufer. Das macht nicht stärker, sondern erfolgsverwöhnt. Gegen Hochmut anzukämpfen, ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe der Wolfsburgerinnen.

Zwei Lösungen bieten sich an. Entweder foppt der erfolgreiche Kellermann den Rest der Liga weiter, damit der sich mehr anstrengt. Oder Kellermann schafft es, seine gute Arbeit mit internationalen Erfolgen zu veredeln.

Im März 2019 wartet im Viertelfinale der Champions League Olympique Lyon. Die Französinnen sind extrem stark, haben dem VfL Wolfsburg oft ein Bein gestellt und gelten als das Nonplusultra der Branche. Sich an ihrer Qualität zu orientieren, ist sinnvoller, als Borussia Mönchengladbach nachzutreten.

Die Botschaft von Kellermann klingt herb. Sein Hinweis, dass die Bundesliga zuletzt nicht besser geworden sei, ist im Grunde ein Foul an sich. Unter dem Strich macht Kellermann seinen Job schlichtweg zu gut. Er schnappt der Konkurrenz starke Spielerinnen weg und findet irgendwo in Europa immer wieder entwicklungsfähige Talente. Wenn der Rest der Liga auf Dauer keine Antwort darauf findet, treten alle auf der Stelle. Das laut anzusprechen, ist nicht arrogant, sondern eher sinnvoll.