Neuneinhalb Wochen, Teil 3
: Think big!

Susanne Gieffers, taz-Redakteurin, arbeitet für neuneinhalb Wochen in Minneapolis, USA. An dieser Stelle berichtet sie regelmäßig über diese Stadt, in der, wenn man will, vieles an Bremen erinnert

Kann sich einer noch an Knack&Back erinnern? Die knuffelig-chemischen Aufbackbrötchen, kompakt geknüllt in eine Papprolle, die man mit Schmackes auf die Tischkante haut, und das meist so oft, bis nicht die Verpackung, dafür aber der Tisch kaputt ist? Ja genau, die kommen aus Minneapolis! Die Mutter aller Kunstbrötchen ist General Mills, und überm Mississippi leuchtet deren Reklame wie über der Weser die von Beck’s.

Es ist übrigens nicht so, dass hier keiner Bremen (sprich: Buäiimen) kennt. Während der üblichen Erklärung, dass Bremen eine kleine, naja, mittelgroße Stadt im Nordwesten undsoweiter, schallt es einem meist strahlend entgegen: „Kenn ich! Beck’s!“ Die höfliche Besucherin lächelt dann, nickt eifrig und verschweigt dezent, dass Beck’s längst nicht mehr bremisch ist – für die Amerikaner liegt Leuven sowieso gleich hinter Huchting.

Was also in der Alten Welt die Schlachte, ist in der Neuen die Riverfront. Was in Bremen das Parkhaus an der Weser, ist hier flussabwärts das Gefängnis von Saint Paul. Wie bei uns die Autos hatten den besten Blick aufs Wasser lange Zeit die Häftlinge. Viele Menschen haben das nicht verstanden, das Gefängnis ist dann umgezogen und die Riverfront in Saint Paul wird jetzt schmuck und trendy. Ansonsten sind hier die Kneipen am Fluss dezenter, der Service besser, die grölenden Teens seltener, die Brücken zahlreicher und was in Bremen einst die Speicher, sind in Minneapolis die alten Mühlen oder deren Reste, riesige steinerne Zeugen längst vergangener Bedeutung. So wie Bremen den Rest der Welt mit Bier, so versorgte Minneapolis einst den Rest der Welt mit Mehl. Soviel Mehl wurde hier produziert, dass es für die gesamten Vereinigten Staaten plus Europa gereicht habe, erzählen sie im Mühlenmuseum. Ob nicht Europa vielleicht auch eigenes Mehl produzierte, vielleicht sogar eine ganze Menge – wen interessiert das schon. Man ist hier nicht kleingeistig. Think big.

Und weil hier alles größer ist als zuhause, der Kaffee am Morgen, das Eis am Mittag und der Weg über die Brücken sowieso, braucht es hier wennschon kein Auto, dann doch bitte ein Fahrrad. Doch dieser Punkt geht eindeutig an Bremen. Fahrradfahren in Minneapolis scheint kein Zuckerschlecken. Das geht schonmal damit los, überhaupt an ein Rad zu kommen. In meinen drei Wochen hier ist mir das nicht gelungen. Janes Rad ist kaputt. Sehr irreparabel, no way. Leihräder kosten mehr als Leihautos. Der Store an der Uni, der laut Jane alles Mögliche hat, auch Räder, hat keine Räder, dafür aber alles mögliche, was Janes Augen leuchten lässt: Tische, Kleiderständer, Ölgemälde für fünf Dollar. Sagte ich schon, dass Jane Sammlerin ist? Bei Wal-Mart gibt es billige Räder, aber da kauft man nicht. Das Rad der Kollegin H.J. (sprich: Äitschdschäi) scheint dann die Rettung, es ist wohl nur platt. Ich pumpe und schwitze und als ich losradeln will, der Abendsonne entgegen, da ist die Luft wieder raus. Zum Reparieren ist nix da. Vom Bus aus scheint der Mississippi im späten Sonnenlicht besonders schön, ein Radler folgt dem geschwungenen Uferweg. „Am Wochenende ist Flohmarkt“, sagt Jane und ihre Augen leuchten, „da gibt es bestimmt auch Räder.“ Was soll ich sagen. Ich leih mir jetzt ein Auto.