Trinkwasser in Gefahr

Radioaktives Tritium auf Giftdeponie Ihlenberg bei Lübeck nachgewiesen. Seine Herkunft ist noch unklar

Von Sven-Michael Veit

Nervös reagieren politische Stellen in Schleswig-Holstein auf eine mögliche radioaktive Verseuchung der Sondermülldeponie Ihlenberg östlich von Lübeck. „Sehr ernst“ nimmt Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) eventuelle Gefahren für das Grund- und Trinkwasser der Großstadt Lübeck. Ihlenberg liegt unmittelbar hinter der Stadt- und Landesgrenze auf mecklenburgischem Gebiet.

Das dortige Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (LUNG) hatte kürzlich 427 Bequerel Tritium pro Liter Sickerwasser in der Deponie gemessen – das Hundertfache des in Gewässern üblichen Wertes und drei Mal mehr als in den Vorjahren. Tritium ist ein radioaktives Wasserstoffisotop mit einer Halbwertzeit von gut zwölf Jahren.

Tritium fällt unter anderem im Kühlkreislauf von Atomkraftwerken an. Ende der 1990er Jahre wurden etwa 12.000 Tonnen angeblich unbelasteten Bauschutts des zurückgebauten DDR-Atommeilers Lubmin in Ihlenberg angeliefert. Der Umweltverband BUND und Bürgerinitiativen vor Ort fürchten, dass die Deponie „außer Kontrolle“ geraten sei.

Der Lübecker Umweltsenator Ludger Hinsen (CDU) hat „Gott sei Dank keine Erkenntnisse“ über eine radioaktive Belastung des Grundwassers. „Es gibt keinen Grund zur Besorgnis“, sagt er, „aber auch keinen Grund zur Entwarnung.“ Denn es könnten Jahre vergehen, bis belastetes Wasser Lübecker Gebiet erreicht. „Wir werden das aufmerksam beobachten“, kündigte Hinsen an.

Umweltminister Albrecht teilte mit, das Ministerium in Schwerin habe auf seine Anfrage geantwortet, „keine Anhaltspunkte für Verstöße gegen die Deponievorschriften“ zu haben. Mit dieser nichtssagenden Antwort will Albrecht sich aber nicht zufrieden geben. Er kündigte an, er werde sich beim Nachbarland für eine „weitere Aufklärung“ zu den erhöhten Tritiumwerten einsetzen und auch Informationen über Gegenmaßnahmen einfordern. Deshalb wolle er sich auch „vor Ort ein eigenes Bild machen“ und dazu die Lübecker Fachbehörden und Abgeordneten der Bürgerschaft einladen. Ein Termin wird voraussichtlich erst im kommenden Jahr stattfinden können.

Ihlenberg ist die größte Sondermülldeponie Europas. Unter dem DDR-Namen Schönberg stand sie im Mittelpunkt eines Giftmüllskandals. Daraufhin wurde nach der Wiedervereinigung 1992 wenigstens der Name geändert.