Ein Blick vom Balkon

HISTORIE Das Mauer-Panorama des Wiener Künstlers Yadegar Asisi am Checkpoint Charlie ist eröffnet

Der Raum ist dunkel, nur Walter Ulbrichts Stimme schnarrt aus den Lautsprechern: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ Das Licht geht an, und man steht mittendrin im Westberlin der 80er Jahre: Sperrmüll, Punks und Imbissbuden vor Mauer und Todesstreifen. Dahinter der Osten, eine menschenleere, ferne Angelegenheit. Der Wiener Künstler Yadegar Asisi hat die geteilte Stadt auf eine 60-Meter-Leinwand gebracht, die den Betrachter im Halbkreis umgibt. Das Panorama eröffnete am Sonntag in einer Rotunde am Checkpoint Charlie.

Hier, am einstigen Grenzübergang, sind in den letzten Jahren viele touristische Angebote entstanden. Das Asisi-Panorama ergänzt sie um einen persönlichen Blickwinkel. Der Besucher nimmt die Perspektive ein, die der Künstler zu Mauerzeiten vom Balkon eines Freundes in der Kreuzberger Sebastianstraße aus hatte. Die Mauer wird zur Kulisse, vor der die Westberliner ihren Tagesgeschäften nachgehen.

„Ich glaube, diese Normalisierung war auch eine Überlebensstrategie“, sagt Asisi bei der Präsentation seines Werkes, das mit einer Toncollage aufgemöbelt wird. John F. Kennedys Berlin-Bekenntnis ist zu hören, Autos, Hupen, Sirenen und Stimmgewirr liefern, von Streichern untermalt, den Soundtrack zum Bild.

Auch Asisi selbst ist darauf zu sehen. Er hockt links im Bild und bemalt die Mauer. Das hat er damals tatsächlich getan. Der Abschnitt, auf dem er das Unterteil der Ostberliner Michaelskirche nachmalte, um die Mauer virtuell verschwinden zu lassen, steht heute im Vatikan. BM, XLA

■ Täglich 10–20 Uhr, 10 €/8,50 €.