AUF PATROUILLE
: Gratis zu Papa

„Clint, setz dich hin, wir müssen in zehn Minuten los!“

Kurz vor Mitternacht. Eisenacher Straße Ecke Grunewaldstraße. Ein Imbiss mit Überdachung, vier Tische mit Stühlen darunter, in einem weißen Blumentopf steht bauchhoch Lavendel. „Gib mir noch ’n Bier – oder nee, lieber ein Sternburg, Arbeitslosenbier, wa!“ Der Mann schließt, in der Linken die Flasche haltend, sein Fahrrad ab. Dann kippt er mit dem Rad vom Bordstein auf ein parkendes Taxi.

Die Alarmanlage geht los. Zwei türkische Jungs helfen dem Mann wieder hoch, während der unentwegt „Scheiß-Mercedes“ brüllt, obwohl das Auto ein Opel ist. Ein Polizeiwagen, der auf Patrouille ist, hält, und zwei plaudernde Uniformierte steigen aus. Der Betrunkene schaut auf den Polizeiwagen und brüllt: „Scheißbullenkutsche!“

Die beiden Polizisten bestellen Döner und Cola und setzen sich an einen der Tische. Die Alarmanlage geht aus. Der Betrunkene scheint verwirrt darüber, dass ihm jegliche Aufmerksamkeit verloren geht, und probiert es noch mal: „Scheißbullenkutsche!“, worauf der Ältere der beiden sagt: „So, jetzt ist aber gut. Wir machen Pause, und du bist jetzt mal ein bisschen leiser, alles klar?“

Die türkischen Jungs tuscheln miteinander, dann stellt sich der mit dem Atatürk-T-Shirt und dem womöglich dritten Versuch eines Vollbarts maskulin vor den Tisch der Polizisten, schaut den Jüngeren frech an und fragt: „Ey, hast du schon mal jemanden erschossen?“ Der Ältere schnellt hoch, Atatürk weicht zurück. Der Polizist sagt: „Hör mir gut zu. Ich habe mal einem Typen ins Knie geschossen, weil der mich so lange vollgeredet hat, dass mein Döner kalt wurde. Ich mag kalten Döner nicht.“ Er legt eine Wirkungspause ein. „Und wenn du jetzt weiter unsere Pause störst, fahren wir dich gratis zu deinem Papa, alles klar?“

Der Jüngere lacht auf und sagt: „Clint, setz dich hin, wir müssen in zehn Minuten los!“

BJÖRN KUHLIGK