Das war auch
: Neue Geräte sollen in Kiel die Luft saugen

Ausgerechnet Kiel. Wenn es um Gifte in der Atemluft geht, nimmt die Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins eine Spitzenposition in Deutschland ein. Hinter Stuttgart und München rangiert die Stadt an der Förde, in der eben deshalb beständig eine frische Brise von der Ostsee her wehen sollte, nach Messungen des Umweltbundesamtes auf dem dritten Platz: Das Jahresmittel für Stickoxide in 2018 überschritt mit 60 Mikrogramm je Kubikmeter Luft an der vielbefahrenen Durchgangsstraße Theodor-Heuss-Ring den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm um die Hälfte.

Und deshalb präsentierte die Stadt am Mittwoch eine Weltneuheit: einen Luftsauger. Der Prototyp des Geräts, groß wie ein Container, soll nun an der sechs- bis achtspurigen Stadtautobahn versuchsweise Luft ansaugen und gereinigt wieder ausstoßen. Entwickelt hat den ökologischen Tatortreiniger die Firma Purevento aus dem südholsteinischen Trittau.

Robert Krüger, Geschäftsführer von Purevento, geht davon aus, die Stickoxide an einer 190 Meter langen Teststrecke mit sechs Geräten um etwa zehn Prozent reduzieren zu können. Die angesaugte Luft soll sogar um etwa 85 Prozent von Feinstaub und gasförmigen Schadstoffen wie Stickoxide gereinigt werden. Das Gerät säubere bis zu 40.000 Kubikmeter Luft – ein Volumen von 1.200 Schiffs­containern, verspricht Krüger.

Die Stadt Kiel will den Praxistest, bei dem es speziell um Stickoxid-Messungen geht, abwarten. Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) ist verhalten optimistisch, ob der Luftsauger die Lösung aller Probleme ist: „Das sind ungelegte Eier.“

Das Umweltbundesamt äußerte sich skeptisch ob des Luftsauger-Einsatzes. Jede Maßnahme, die in der Außenluft ansetze, sei wesentlich ineffizienter als eine, die direkt am Auspuff beginne. Schleswig-Holsteins Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) will den Versuch interessiert beobachten: „Es wird ein ziemlicher Kraftakt werden, die Grenzwerte so runterzubringen, dass die Anwohnerinnen und Anwohner wieder gesunde Luft erhalten.“ Das Umweltministerium entscheidet letztlich, ob die Geräte in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden, der bis zur Sommerpause vorliegen soll. Kiel will spätestens Ende 2021 die EU-Grenzwerte einhalten.

Mit Staubsaugern und Atemschutzmasken protestierten sogleich der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) gegen die Aufstellung des Luftreinigers. Denn der wurde ausgerechnet auf dem Radweg am Theodor-Heuss-Ring platziert: „Damit macht die Stadt sich endgültig lächerlich.“ Sven-Michael Veit