die woche in berlin
: die woche in berlin

Das Kosmosviertel gehört wieder Berlin, was aber nicht ganz billig zu haben war, während die Clubcommission darauf verweist, dass die Clubs gutes Geld in die Stadt schaffen, die möglicherweise trunkene Todesfahrt eines Polizisten ist weiter Thema, und bei der Berlinale geht eine Ära zu Ende

Mit dabei auf dem Marktplatz

Senat kauft sich Kosmosviertel zurück

Der Rückkauf von 1.821 Wohnungen im Kosmosviertel in Altglienicke soll nach Informationen des RBB 250 Millionen Euro gekostet haben. 250 Mil­lio­nen, das sind fast 2.000 Euro pro Quadratmeter. Hört sich nach viel an, ist es in Berlin aber nicht unbedingt: Laut Statistik des Immobilienanbieters Immowelt waren von 7.737 Wohnungen, die in den letzten vier Wochen in Berlin zum Kauf angeboten wurden, nur 90 für einen Kaufpreis von unter 2.000 Euro pro Quadratmeter zu haben. Weitere 314 gab es im Preissegment von 2.000 bis 2.500 pro Quadratmeter. Für die restlichen 7.333 Wohnungen mussten Käufer höhere Preise zahlen.

Diese Statistik fasst Altbau- und Neubauwohnungen zusammen und kann deswegen nur als ungefähre Orientierung dienen. Aber schon eine solch ungefähre Orientierung ließ die aufgeregt geführte Debatte über den Kauf des Kosmosviertels in dieser Woche vermissen. FDP und CDU kritisierten den Kauf scharf, der Bund der Steuerzahler stimmte mit ein, auch in der taz war von einer „Kauftour“ des Senats die Rede und davon, dass bei dieser Aktion die „Grenze zur Ideologie“ überschritten sein könnte.

Sicher: Es ist eine berechtigte Frage, ob das Land Berlin mit einsteigen sollte in den völlig überhitzten Immobilienmarkt, auf dem 2.000 Euro pro Qua­drat­meter mittlerweile selbst für Plattenbauten in Randbezirken normal sind. Es gilt aber auch: Es gibt keinen anderen Weg, die sich weiter nach oben schraubende Preisspirale zu unterbrechen, als den, private Unternehmen auf diesem Markt zurückzudrängen. So viel zu bauen, dass der Markt mit Wohnungen überschwemmt würde und deswegen die Preise sinken, ist angesichts des anhaltenden Zustroms nach Berlin schlicht nicht möglich. Freiwillig werden sich diese Unternehmen sicher nicht auf mögliche Profite verzichten, und dass gesetzliche Regelungen hier nicht greifen, zeigt die Mietpreisbremse.

Bleibt: Die Wohnungen müssen in kommunale Hand. Damit ist noch lange nicht alles erreicht aus Mietersicht – auch die landeseigenen Betriebe sind angehalten, Gewinne zu erwirtschaften, auch hier gibt es Mieterhöhungen. Aber trotzdem: Eine demokratische Kontrolle ist hier zumindest möglich. Dass dieses Mittel nicht genutzt wurde, als die Wohnungen noch billiger waren, kann jetzt nicht als Argument dafür dienen, dass man es auch die nächsten 20 Jahre nicht nutzt. Besser, als mit öffentlichen Geldern die überzogenen Kaufpreiserwartungen privater Unternehmen zu erfüllen, wäre natürlich, die Wohnungen auf anderem Weg in öffentliches Eigentum zu überführen. Ob sich FDP, CDU und Bund der Steuerzahler wohl bald der Forderung nach Enteignung der Immobilienkonzerne anschließen? Malene Gürgen

Besser, als mit öffentlichen Geldern die überzogenen Kaufpreis-erwartungen privater Unternehmen zu erfüllen, wäre natürlich, die Wohnungen auf anderem Weg in öffentliches Eigentum zu überführen

Malene Gürgen über den Rückkauf des Kosmosviertels durch das Land

Nicht nur des Geldes wegen

Die Clubcommission betont ihre Bedeutung

Auch wenn dann wahrscheinlich keine queere Band aus Russland aufgetreten wäre: Die Jahresauftaktveranstaltung der Clubcommission, des Verbands der Berliner Clubs, hätte auch ein Lobbyevent der Automobilindustrie sein können. Bei Häppchen und Sekt wurde am Dienstagabend im SchwuZ heftig vernetzt; ein Wissenschaftler (nebenbei auch Unternehmensberater) stellte die Ergebnisse einer eigens in Auftrag gegebenen Studie vor, die glücklicherweise im Sinne der Branche ausgefallen waren; bei einer Podiumsdiskussion mit wohlgesinnten Politikern holte man sich unterstützende Worte ab. Keine Kontroversen.

Na und! In einer Stadt, in der sich die Marktlogik etwa im Bereich des Wohnens dermaßen radikalisiert hat, dass ein öffentlicher Eingriff als einzige Notbremse erscheint, ist das Argument des Geldes schließlich ein wirkmächtiges Argument. Das Argument der Clubcommission: Drei Millionen Touristen sind 2018 wegen des Nachtlebens nach Berlin gekommen. Im Durchschnitt blieben sie 2,4 Tage und gaben am Tag 205 Euro aus. Insgesamt sorgten sie für einen Umsatz von knapp 1,5 Milliarden Euro. Wenn man bedenkt, dass der Tourismus der Stadt 2017 einen Umsatz von 11,5 Milliarden Euro besorgt hat, weiß man, dass es hier nicht um Peanuts geht. Mit diesem Argument können Forderungen an die Politik gestellt werden, Forderungen nach mehr Akzeptanz, Kulanz und Unterstützung. „Berlins Clubkultur ist weltweit bekannt und wichtiges Kulturgut unserer Stadt, starker Wirtschaftsfaktor und Tourismusmagnet“, kommentierte Wirtschaftssenatorin Ramona Pop die Studienergebnisse auf Facebook.

Und trotzdem: Das „Mehr“ der Clubkultur, das im SchwuZ zwar etwas abstrakt, aber dennoch zur Sprache kam, wird freilich darunter leiden, wenn sich die Szene zu sehr auf die Marktlogik einlässt. Das „Mehr“ meint Kultur, Idealismus, Kreativität, Gemeinschaft, Freiraum, Politik, Lebensstil, manchmal auch einfach eine kurzweilige Absage an die Realität. Eigentlich ist dieses „Mehr“ das stärkste Argument der Clubs, die Zahlen sind lediglich eine Nebenerscheinung. Das „Mehr“ lässt sich gar nicht in Zahlen fassen.

Aber das wissen sie selbst, zumindest die politisch-kulturellen Avantgardisten unter den Clubbetreibern. Im Idealfall wollen sie mit Veranstaltungen wie diesen einfach nur den Feind­ – den marktwirtschaftlichen Sachzwang – mit seinen eigenen Waffen schlagen. Solange die Clubkultur ihr „Mehr“ nicht vergisst, ist das Mitspielen bei diesem Gesellschaftsspiel okay, wohl auch notwendig. Volkan Ağar

Auffallende Anrufung der Familie

Betrunken unterwegs bei Todesfahrt

Die Nachricht ist schon ein paar Tage alt, aber immer noch heiß. Der Polizist Peter G., der in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt war, war vermutlich alkoholisiert. Bei dem Unfall im Januar 2018 war eine 21-Jährige ums Leben gekommen. Sie parkte gerade ihr Auto ein, als G. ihr mit einem Funkwagen in die Seite raste. Laut vorläufigem Gutachten soll der 51-jährige Polizist mit 134 Stundenkilometern und Blaulicht durch die Stadt gebrettert sein.

Der Verdacht, dass G. 1,1 Promille Alkohol intus hatte, ist vorletzte Woche aufgekommen. Am Unfallort selbst war kein Alkoholtest durchgeführt worden. Erst danach, in der Charité, wurde G. Blut abgenommen. Erst jetzt hat die Staatsanwaltschaft durch einen anonymen Tipp das Ergebnis erfahren.

G. wird nun nicht nur wegen fahrlässiger Tötung angeklagt, sondern auch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Bis zum Ausgang des Gerichtsverfahrens gilt für ihn wie für alle Beschuldigten die Unschuldsvermutung. Dass sein Leben öffentlich auf dem Tisch liegt, hat er sich selbst zuzuschreiben. Jahrelang hatte er sich in den sozialen Medien mit Tweets und Fotos ausgetobt. Die Presse hat sich ausgiebig bedient.

Gothic-Anhänger, Partymacher, Fan schwerer Motorräder – das ist das eine Bild, das von G. existiert. Das andere ist das eines Polizisten, der gegen Linke, Flüchtlinge und die Asylpolitik hetzt. Der findet, „wir“, die Polizei, müssten tagtäglich „unseren verdammten Arsch hinhalten“.

Mit dieser Haltung ist G. in der Polizei gewiss kein Einzelfall. Und auch nicht, wenn er anderer Stelle schreibt, „verdammt froh“ zu sein, dass die Polizeifamilie funktioniere. Stutzig macht, dass er diesen Satz genau eine Woche nach dem Unfall ins Netz gestellt hat. Haben Kollegen absichtlich weggeschaut? Hat sich G. dafür bedankt?

Konkrete Anhaltspunkte dafür gibt es bislang nicht. Am Unfallort einen Alkoholtest durchzuführen ist nicht Pflicht. Es müsse ein Anfangsverdacht bestehen, heißt es. Was die Frage aufwirft: Haben die Kollegen nichts gerochen?

Es wäre nicht das erste Mal, dass Polizisten einen Kollegen decken, der sich strafbar gemacht hat. Prozesse wegen Körperverletzungen im Amt endeten früher nicht zuletzt deshalb häufig mit Freispruch. Erst seit die meisten Demonstranten Handys haben, ist der Nachweis einfacher geworden.

Im Team arbeitende Polizisten müssen sich auf die Solidarität ihrer Kollegen verlassen können. Aber wer für Recht und Gesetz einsteht, muss wissen, wo Schluss ist. Der bloße Verdacht, dass die Aufklärung durch unguten Korpsgeist behindert worden sein könnte, macht den Fall G. zum Politikum.

Plutonia Plarre

Supernova vor der Abwicklung

Die letzte Berlinale mit Dieter Kosslick als Chef

Am Wochenende geht die 69. Berlinale zu Ende. Dass damit dann auch die Ära Dieter Kosslicks vorüber ist, wurde schon berichtet. Und nach dem – man könnte sagen: wie Nackenfleisch – durchwachsenen Wettbewerb in diesem Jahr ist die Trauerzeit nach dem Abschied womöglich nicht allzu lang.

Wer vom Personal ansonsten bleibt oder wer geht, ist bis auf Weiteres nicht groß bekannt. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird man sich aber neben dem langjährigen Direktor noch von etwas anderem Vertrauten verabschieden müssen: dem Berlinale-Trailer. Autorenfilmer Uli M Schueppel – in diesem Jahr mit seinem Film „Der Atem“ in der Sektion Panorama vertreten – hat diesen urknallartigen Bärenreigen 2002 inszeniert, bei dem sich viele goldene Bären zunächst wie eine kreisende Discokugel langsam konzentrisch bewegen, der Ball sich dann rapide in Richtung Horizont entfernt, um schließlich wie eine Supernova auseinanderzustieben.

Seine Wirkung verdankt dieser Clip der passgenau zu den Bildern geschneiderten Musik, die der Dynamik des Films so getreu folgt wie die lautmalerischen Soundtracks aus den guten alten Disney-Zeichentrickfilmen.

Geschrieben haben die vorwiegend elektronischen Klänge im gemütlichen Downtempo seinerzeit die Produzenten Xaver Naudascher und Johannes Koeniger. Ersterer, der heute Xaver von Treyer heißt, machte in der Clubmusik zudem auf sich aufmerksam, als er 2006 das Label Supersoul Recordings gründete, auf dem er auch selbst veröffentlichte. Heute betreibt von Treyer hauptberuflich Multimedia-Consulting.

Bleibt die Frage, ob bei einem neuen Berlinale-Trailer von anderen Künstlern für von Treyer und Koeniger damit etwa Gema-Gebühren als Einnahmequelle wegfallen. Und ob das dann schmerzlich wäre. Aber das sind doch eher Details.

Tim Caspar Boehme

noch einmal kosslick