Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Ausdruck von Askese und Konzentration

Foto: Roberta Sant'anna

Warum wird das Zölibat nicht einfach abgeschafft, im Islam gibt es den Quatsch auch nicht“, sagte der junge Typ mit grau gefärbtem Haar am Tresen.

„Na, so einfach ist das nicht, Paulo“, erwiderte der Barkeeper, der seinen waldgrün gefärbten Schnurrbart zwirbelte.

„Warum nicht?“

„Weil jahrhundertealte Traditionen nicht mal eben abgeschafft werden können.“

„Aber was hat die Institution noch davon? Kohle haben die doch genug, wie man am schönen Vatikan erkennen kann. Soweit ich weiß, wurde das Zölibat einst etabliert, um Familienanhang zu vermeiden, sodass nach dem Tod Geld und Besitz der Kirche überschrieben wurden.“

Eine Frau im Glitzer-Pullover zog an ihrem Zigarillo und sagte: „Karl Lagerfeld lebte doch auch irgendwie im Zölibat und hatte dadurch genug Zeit, sich auf sein göttliches Schaffen zu konzentrieren. Er vererbte alles seiner Katze und den Angestellten, die auch weiter in seinen Gemächern wohnen und ihm huldigen.“

„Das war mal ein Deutscher, da fällt mir kein zweiter ein!“ Sagte der Grauhaarige.

„Der Tod von Karl Lagerfeld ist mir nun wirklich vollkommen egal“, sagte meine Freundin und nahm einen Schluck ihres gekühlten Rotweins.

„Ja, was fanden nur alle an dem?“, mischte ich mich ein.

„Er hat großartige Kleidung designend und ziemlich originelle Aphorismen produziert“, sagte der Typ.

„Mir ist nur der Spruch hängen geblieben, dass, wer im Jogginganzug rausgehe, die Kontrolle über sein Leben verloren habe“, sagte meine Freundin, „und hat er zuletzt nicht auch rassistische Sachen gesagt?“

Der Barkeeper warf eine Orange in die Luft und sagte: „Lagerfeld hat gesagt, Merkel sei schuld an den Neonazis im Bundestag, weil sie all die Antisemiten ins Land gelassen habe, und wäre er nicht dem Selbstverständnis nach Kosmopolit und Hanseat, würde er seinen deutschen Pass abgeben.“

„Der Mann propagierte außerdem das Dünnsein als Lebenscredo.“

„Aber was hat der denn mit dem Zölibat zu tun? Karl Lagerfeld wird doch durchaus mal Sex gehabt haben.“

„Einmal vielleicht, und dann war es ihm zu gewöhnlich und er hat es wieder gelassen. Seine schmale Figur war ein Ausdruck von Askese und Konzentration.“

„Die Idee, man könne sich durch den Ausschluss von körperlicher Nähe besser auf das Wesentliche konzentrieren, ist interessant, solange sie nichts mit Zwang zu tun hat.“

„Ich kenne auch Leute, die – mit oder ohne Beziehung – lange keinen Sex mehr hatten, weil sie ihren Partner nicht mehr heiß finden, aber treu bleiben wollen oder weil sie Single sind und sich selbst treu bleiben wollen.“

Die Frau im Pullover schlug mit der flachen Hand auf den Tresen: „Darauf einen Sex on the Beach, das war der erste Cocktail, den ich je getrunken habe und in der Nacht habe ich meine Jungfräulichkeit verloren. Heilige Scheiße, auf den hätte ich jetzt richtig Lust, würdest du mir ausnahmsweise einen machen?“, fragte sie den Barkeeper.

Der Barkeeper verschränkte die Arme und schüttelte langsam und mit sehr ernster Miene den Kopf. „Wer so was mixt oder trinkt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.