Die Partnerstadt mit dem Atomproblem

Freiburgs Politiker entzweit ein Streit: Der Oberbürgermeister will das Städtebündnis mit dem iranischen Isfahan fortsetzen – auch wenn dort seit einigen Tagen eine höchst umstrittene Atomanlage in Betrieb ist. Die Junge Union findet dies untragbar

AUS FREIBURG BERNWARD JANZING

Selten war der Oberbürgermeister einer mittleren Großstadt so sehr mit der Weltpolitik konfrontiert wie derzeit Freiburgs Stadtoberhaupt Dieter Salomon. Denn mehr noch als manchen Bundespolitiker beschäftigt ihn derzeit die Atomanlage in Isfahan: Freiburg unterhält seit fünf Jahren die einzige deutsch-iranische Städtepartnerschaft – ausgerechnet mit Isfahan.

Im Herbst noch sollen zwei Reisen in die Partnerstadt gehen: eine Bürgerreise Ende September und eine Delegationsreise im Oktober. Und so beschäftigt die Stadt in diesen Tagen die Diskussion, wie Freiburg mit der aktuellen Entwicklung umzugehen hat. Iran hatte unlängst die Atomanlage wieder vollständig in Betrieb genommen – trotz internationaler Proteste. Vor allem die USA verdächtigen Teheran, heimlich am Bau von Atomwaffen zu arbeiten. Soll Freiburg die Kritiker unterstützen, indem es die Städtepartnerschaft aussetzt, wie es die Junge Union (JU) fordert? Oder ist gerade in einer solchen Situation eine Reise in die Partnerstadt das richtige Signal, wie es der grüne Oberbürgermeister von seinem Urlaubsdomizil aus mitteilte?

Eines jedenfalls ist bereits jetzt klar: Die Partnerschaft, ursprünglich vor allem des kulturellen Austausches der beiden Städte wegen gegründet, wird sich künftig um politische Fragen nicht mehr herumdrücken können. Bisher war der Austausch in dieser Hinsicht gering: Nein, über die Position des Bürgermeisters von Isfahan in Sachen Atomfabrik wisse er noch nicht Bescheid, ließ Salomon auf Anfrage wissen. Auch haben man „noch keine Gelegenheit“ gehabt, mit den Bürgern der Stadt über das brisante Thema zu sprechen. Doch gehe er davon aus, dass „auch viele Menschen in Isfahan und im Iran die Entwicklung bezüglich der Atomanlage mit Sorgen betrachten“. Mehr darüber hoffe er in Gesprächen mit den Menschen in der Partnerstadt während der geplanten Reise zu erfahren.

Die JU Freiburg will aber gerade das nicht. Stattdessen setzt sie auf Isolation. Die Städtepartnerschaft gehöre ausgesetzt, als „politisches Zeichen für Demokratie und Menschenrechte“, erklärte dieser Tage der JU-Kreisvorsitzende Daniel Sander. Vor dem Hintergrund, dass in Isfahan die Anlage zur Urankonversion wieder in Betrieb genommen werde, sei eine Städtepartnerschaft „nicht mehr tragbar“. Es sei „einfach ein Skandal, dass ausgerechnet ein grüner Oberbürgermeister, dessen Partei die Menschenrechte verteidigen will und im eigenen Land gegen die Atomkraft kämpft, im Iran die Augen vor der Wirklichkeit verschließt“, so die JU.

Unterstützung erhält Salomon indes von dem Freiburger SPD-Bundestagsabgeordneten und Auslandsexperten Gernot Erler: Die „Strategie der Einbindung statt Isolation“ sei auch für eine Städtepartnerschaft die richtige Herangehensweise. Die Position der JU sei „wichtigtuerisch und kurzatmig“ und entspreche nicht der Freiburger Art, konstruktiv mit Herausforderungen umzugehen. Das wiederum findet die JU „naiv“ und poltert, „kein einziger iranischer Funktionär“ werde sich „durch eine liebenswürdige städtische Delegation unter Leitung des Oberbürgermeisters vom Atomprogramm abbringen lassen“.

Doch von solchen Sprüchen will sich der grüne Oberbürgermeister nicht beirren lassen. Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub nächste Woche werde er das Gespräch mit dem Auswärtigen Amt suchen, sagt er. Und er betont, dass er aus jetziger Sicht an den geplanten Reisen festhalte, wissend, dass „der Rahmen der Städtepartnerschaft momentan brisant“ ist. Ohnehin komme der Konflikt nicht überraschend, habe man doch gewusst, dass man sich mit der Partnerschaft auf ein totalitäres Land einlasse.

So dürfte die Reise dem Oberbürgermeister einiges an diplomatischem Geschick abverlangen. Jedenfalls dann, wenn Salomon seinen eigenen Vorstellungen treu bleibt: „Eine Partnerschaft, die sich selbst ernst nimmt“, hatte er jüngst der Lokalzeitung gesagt, „muss politisch kontroverse Dinge ansprechen können.“