Leserbriefe vom Genossen

Der SPD-Politiker Jochen Beekhuis soll sich in Leserbriefen und geleakten Chats frauenfeindlich und homophob geäußert haben. Eine Kommission soll den Fall untersuchen

Unter Druck: Der SPD-Landtagsabgeordnete Jochen Beekhuis Foto: Grit Mühring/Ostfriesen-Zeitung

Von Marthe Ruddat

Wenn die Vorwürfe stimmen, könnte das das Ende der politischen Karriere von Jochen Breekhuis (SPD) bedeuten. Dem niedersächsischen Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden der Auricher SPD-Kreistagsfraktion wird vorgeworfen, fingierte Leserbriefe verfasst zu haben, um Parteikolleg*innen zu schaden. In Facebook-Chats soll er sich außerdem frauenfeindlich und homophob geäußert haben. Der SPD-Bezirksvorstand Weser-Ems wird am kommenden Samstag vermutlich entscheiden, dass sich eine Untersuchungskommission des Falls annimmt.

Am vergangenen Donnerstag berichtete der Anzeiger für Harlingerland erstmals über die Vorwürfe gegen Beekhuis. Der Redaktion liegen nach eigenen Angaben umfangreiche Daten aus Chatverläufen von Beekhuis vor. Die Daten stammen demnach aus dem groß angelegten Datendiebstahl, der Anfang Januar bekannt wurde. Damals wurden E-Mails, Handynummern, Adressen aber auch Bankdaten unter anderem von Politiker*innen im Netz veröffentlicht. Darunter waren offenbar auch Daten von Beekhuis.

Laut Anzeiger für Harlingerland schrieb Beekhuis beispielsweise in einem Chat mit einem Bekannten über zwei Versionen eines Leserbriefs, der der Vareler SPD-Bundestagsabgeordneten Siemtje Möller schaden sollte. Es entstehe der Eindruck, dass Beekhuis beide Versionen verfasst habe und der Bekannte entscheiden sollte, ob eine härtere oder eine abgeschwächte Version an die Medien geschickt würde, schreibt die Zeitung. Gegenüber der Zeitung stritt Beekhuis ab, Leserbriefe verfasst zu haben, damit andere diese dann an die Medien geben könnten.

Für die taz war Beekhuis nicht erreichbar. Damit konnte er auch nicht zu weiteren Chatinhalten befragt werden. So berichtete die Ostfriesen-Zeitung auch über Chatverläufe, die Frauen, Homosexuelle und übergewichtige Menschen diskriminierten. Über eine junge Frau soll Beekhuis geschrieben haben, sie könne sich auf den Schoß seines Chat-Partners setzen. „Hoch mit Rock, rein mit …“

Nachdem die Vorwürfe öffentlich wurden, hatte der SPD-Bezirksvorstand Beekhuis zu einer Stellungnahme aufgefordert, die er am Montag abgab. „Herr Beekhuis erklärt, dass er sich nicht zu Vorwürfen äußern könne, weil es sich um Inhalte handele, die durch eine Straftat öffentlich gemacht wurden“, gab die Vorsitzende des SPD-Bezirks Weser-Ems, Johanne Modder, bekannt. Beekhuis habe in den Raum gestellt, dass gezielt Informationen gegen ihn lanciert worden seien. Außerdem gebe er in seinem Schreiben an, dass er die Inhalte allesamt nicht kenne und sie daher nicht beurteilen könne.

Das wiederum erscheint mehr als fraglich. Manfred Hochmann, Redakteur beim Anzeiger für Harlingerland sagte zur taz, Beekhuis habe die Chats teilweise in der Redaktion eingesehen. Die besagten Leserbriefe seien nicht erschienen. Es sprächen aber viele Indizien dafür, dass die Chatverläufe echt seien. So habe die Redaktion beispielsweise die Daten mit eigenen Chats mit dem Politiker abgeglichen und diese hätten übereingestimmt.

Auch Siemtje Möller konnte die Chatverläufe einsehen und sagte dem Anzeiger für Harlingerland, sie zweifle aufgrund des Umfangs und der Detailliert­heit nicht an deren Echtheit. In einer Stellungnahme schreibt die Bundestagsabgeordnete, dass Beekhuis’Beleidigungen und der Schaden, den er ihr habe zufügen wollen, unvereinbar sei mit allem, wofür die SPD stehe. Weitergehend wollte sich Möller am Dienstag nicht zu der Sache äußern.

Die Redaktion sieht viele Indizien dafür, dass die Chatverläufe echt sind

Ebenso die Wittmunder SPD-Kreisvorsitzende Roswita Mandel. Sie zeigte sich in einer Stellungnahme „enttäuscht und menschlich verletzt“ von Beekhuis. Seine beleidigende und teilweise obszöne Wortwahl, mit der er über sie und andere Parteifreunde schreibe, sei ein „Schlag ins Gesicht“.

Aus der SPD-Kreistagsfraktion Aurich erhielt Beekhuis am Dienstag derweil Rückendeckung. „Wir beteiligen uns nicht an Vorverurteilungen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Hans Terfehr. „Für uns gilt die Unschuldsvermutung.“ Bisher stünden nur Mutmaßungen und Anschuldigen im Raum. Die Fraktion begrüße, dass sich der Bezirksvorstand der Sache annehme und erwarte, dass es zu einer juristischen und politischen Bewertung komme.

SPD-Bezirkschefin Modder will Beekhuis’Schreiben bei einer Sitzung am kommenden Wochenende dem Bezirksvorstand vorlegen. Dieser soll dann über die Einrichtung einer Untersuchungskommission entscheiden. Auftrag der Kommission wäre, alle Fakten zu dem Fall zusammenzutragen. Auf dieser Grundlage könnte ein Parteiordnungsverfahren zustande kommen.