Ein Schub für Gott

VON PHILIPP GESSLER

Eve Riedl hat den Papst festgehalten! Nur auf einem Foto ihres Handys. Und genau genommen sieht man darauf nur eine schwarze Limousine, die gerade vorbeirauscht, hinein in die Auffahrt zum „Erzbischöflichen Haus“, das abgesperrt ist.

Hier kann Benedikt XVI. nach seiner Ankunft am Flughafen Köln/Bonn und einer kurzen Fahrt in die Domstadt erstmals auf diesem Weltjugendtag ein wenig zur Ruhe kommen. Auf Eves Foto sieht man nicht das Gesicht des Papstes, nicht einmal seine winkende Hand. Etwa eine Dreiviertelstunde hat die 17-jährige Stuttgarterin in ihrem luftigen Top vor der Absperrung auf ihn gewartet. Ein „bisschen enttäuscht“ sei sie schon, dass das alles nun so schnell ging, sagt sie, „aber es war okay“, sagt sie. Schließlich werde sie den Papst so nahe wohl nie wieder sehen.

Der Weltjugendtag in Köln mit derzeit etwa 400.000 jungen Menschen ist im Papstfieber. Schon auf dem Flughafen beim offiziellen Empfang Benedikts XVI. gab es „Be-ne-de-tto“-Rufe, ja sogar den Versuch von La-Ola-Wellen wie im Fußballstadion. Am Abend ruft der Papst von einem Rheinschiff aus den am Ufer versammelten hunderttausenden Pilgern zu: „Reißt euer Herz weit auf für Gott, lasst euch von Christus überraschen.“ Beifall brandet auf, wenn er die Sprache wechselt, vom Englischen ins Französische, vom Italienischen ins Spanische. Danach immer wieder „Benedetto-Rufe“.

Auch wenn das dem eher scheuen Benedikt XVI. nicht unbedingt gefallen dürfte, so wird er doch hier in Köln ganz eindeutig wie ein Popstar gefeiert – und zwar bereits bevor er irgendetwas gesagt hat. Die Zwillinge Alissa und Nicole McDonough (16) aus Minnesota etwa streiten gar nicht ab, dass er weniger Charisma habe als sein Vorgänger Johannes Paul II. „Aber er ist ein so brillanter Kopf – wir lieben ihn!“, sagt Alissa mit einem Zahnspangenlächeln.

Ist das nur amerikanische Begeisterungsfähigkeit – oder könnte der Besuch des Papstes zu einem Glaubensschub auch im ziemlich entchristianisierten Deutschland führen, wie Benedikt XVI. und der einladende Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, hoffen? Der Weltjugendtag, der bis Sonntag dauert, habe ihr schon jetzt einen solchen Anstoß gegeben: „Unglaublich – das hätte ich nicht gedacht“, sagt Eve Riedl. Hier in Köln zu erfahren, „dass der Glaube eigentlich überall auf der Welt gleich ist“, habe ihren persönlichen Glauben „bestärkt und untermauert“.

Ähnlich sieht es Katharina Abeln, die in ihren Pferdeschwanz ein gelb-weißes Vatikanfähnchen gesteckt hat, das beim Reden lustig herumflattert. Die 34-Jährige betreut mit anderen Ehrenamtlichen auf dem Weltjugendtag eine Jugendgruppe aus Osnabrück. Sie war schon beim letzten Weltjugendtag in Toronto 2002. Die Begeisterung sei von dort tatsächlich in ihr Bistum „rübergeschwappt“, wie sie sagt. Manche hätten nun „einen Zugang zur Jugendarbeit“ gefunden.

Kritischer sehen dies Kerstin Gerenkamp und Dominik Weiß vom katholischen Pfadfinderverband St. Georg. Die 23-jährige Kerstin stört, dass der Fokus des Interesses des Weltjugendtags „so wahnsinnig auf dem Papstbesuch liegt“: „Das habe ich mir nicht unter dem Weltjugendtag vorgestellt“, sagt sie. Der Papst könne sie hier nicht im Glauben bestärken – „dafür ist er zu weit weg“. Auch durch das Gemeinschaftsgefühl der hunderttausende am Rhein sieht sich der 23-jährige Dominik nicht im Glauben bestärkt: Große Zeltlager, wie etwa in Vechta 2002 mit 4.500 Pfadfindern – „davon habe ich mehr“.

Der Papst ist jedenfalls voller Hoffnung für seinen Trip im Lande Luthers. Und begrüßt jene, die nicht getauft und nicht in der Kirche sind: „Gerade an euch hat Papst Johannes Paul eine besondere Einladung zu diesem Treffen gerichtet“, verkündet er. Bei Eve hat er offenbar Erfolg gehabt. Obwohl er im Auto nur an ihr vorbeischoss.