Pullover im Lager statt im Geschäft

Mode-Unternehmen Gelco erhebt erste Verfassungsbeschwerde gegen die Importbeschränkungen der EU für chinesische Textilien. Bestellte Pullover, T-Shirts und Hosen dürfen nicht verkauft werden, um europäische Produzenten zu schützen

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

38.000 neue Pullover aus China liegen nutzlos im Lager und dürfen nicht verkauft werden. Deswegen will der Textilhersteller Gelco nun eine Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen – stellvertretend für die deutsche Modebranche. Der deutsche Textilhandel hatte auf billige Ware aus China gesetzt und fühlt sich durch die neuen EU-Import-Beschränkungen unfair behandelt.

Gelco hatte die 38.000 Pullover in China herstellen lassen. Nun warten sie im offenen Zoll-Lager auf dem Firmengelände in Gelsenkirchen auf den Verkauf. Die Ware war schon vor Monaten bestellt worden und muss auf jeden Fall bezahlt werden. Wenn Gelco die Textilien nicht an den Einzelhandel weitergeben kann, droht ein Millionenschaden.

Der Grund für den Schlamassel: Zum Jahresbeginn fielen die jahrzehntelangen Beschränkungen für Textilimporte aus China weg. Die Exporte aus China nahmen rapide zu. Gestützt auf eine Notklausel, die China bei seinem WTO-Beitritt 2001 akzeptieren musste, handelte die EU-Kommission daraufhin am 10. Juni neue Quoten für Textilimporte nach Europa aus. Dies erfolgte vor allem auf Druck der südeuropäischen EU-Mitglieder, die noch über größere eigene Textilproduzenten verfügen. Die vereinbarten Jahresquoten sind aber teilweise bereits erschöpft.

Deshalb hält der Zoll die 38.000 Pullis der Firma Gelco unter Verschluss. „Dabei wird keine Rücksicht darauf genommen, dass wir gar nicht mit Quoten rechnen mussten, als wir die Ware bestellt haben“, betont Gelco-Geschäftsführer Jürgen Richter. Jetzt fordert das Unternehmen „Vertrauensschutz für Altverträge“. Das Familienunternehmen Gelco hat in Deutschland rund 300 Mitarbeier, produziert aber ausschließlich im Ausland, zu einem Fünftel in China. Andere Unternehmen haben noch viel stärker auf chinesische Lieferanten gesetzt. Nach Angaben von German-Fashion sind EU-weit derzeit 70 Millionen Kleidungsstücke aus China vom Quoten-Problem betroffen.

Anwalt Thomas van Hooren will die Verfassungsbeschwerde in den nächsten Tagen in Karlsruhe einreichen. Vermutlich ist er dort aber beim falschen Gericht, denn in der Sache geht es ja um EU-Recht, nämlich eine EU-Verordnung vom 8. Juli. Rechtsschutz müsste deshalb beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gesucht werden. Die deutsche Einfuhrausschreibung, gegen die van Hooren klagen will, ist nur eine Bekanntmachung ohne eigenen rechtlichen Gehalt. Vermutlich hoffen die Kläger aber, dass das Bundesverfassungsgericht, an dem viele EU-skeptische Richter sitzen, eher eine einstweilige Anordnung zugunsten der deutschen Importeure erlässt als der EuGH.

Parallel zu diesem Rechtsstreit steht die EU-Kommission auch unter politischem Druck, vor allem aus Skandinavien und seitens des deutschen Wirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD). Gestern erklärte die Kommission, man prüfe gemeinsam mit China, ob die Quoten für 2006 schon 2005 ausgeschöpft werden können.