in der taz vor acht jahren: nullsummen in der cdu-steuerpolitik
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Bei der Reform der Einkommensteuer ist der kleinste gemeinsame Nenner eine Nullsumme. Und mit der spielen die Akteure in Bonn seit Wochen. Ein Gesprächsangebot hie, eine Ausladung da, die Erhöhung der Mehrwertsteuer hüben, die Streichung einer Vergünstigung drüben. Die Resultate lohnen den Aufwand nicht. Warum er trotzdem betrieben wird? Nun, selbst bei einer Null kommt es mittlerweile darauf an, ob sie eher sozial-, frei- oder christdemokratischer Provenienz ist.

Die ursprünglich von der Regierungskoalition in Aussicht gestellte Entlastung der Steuerzahler um 60 Milliarden Mark wurde bereits vor Wochen auf die Hälfte korrigiert und tendiert nun zu einer Summe, die gerade mal rechtfertigt, daß das Wort Steuerentlastung in der Debatte noch vorkommt. Ganz will es die FDP nicht aus ihrem Sprachschatz streichen. Es ist ihr so lieb, wie ihr der Begriff Steuererhöhung verhaßt ist. Auch die SPD spricht gern von Entlastung, hat dabei aber die unteren Einkommensgruppen im Blick. Immerhin, sie hält sich an die Regeln eines Nullsummenspiels und benennt, wen sie belasten will – die oberen Einkommensgruppen und, wenn sie mal ganz mutig ist, die Energieverbraucher.

Zwischen den Positionen von SPD und FDP gibt es eigentlich keinen gemeinsamen Nenner. Die Union muss trotzdem so lange den Konsens suchen, so oft Kompromisse anbieten, bis deutlich wird, daß die SPD blockiert. So sind auch ihre neuesten Vorschläge zu lesen, die zum Teil fast schon sozialdemokratischen Ursprungs sein könnten. Und da die SPD um diese Winkelzüge der CDU weiß, wird auch sie weiterhin so lange kompromißbereit sein, so häufig Gesprächswilligkeit signalisieren, bis deutlich wird, daß sie keine Schuld am Scheitern der Verhandlungen trägt.

Am Ende könnte gar, obwohl keine Seite es intendierte, ein Ergebnis dabei herauskommen. Denn immerhin, auch eine Null ist ein Resultat.

Dieter Rulff, 19. 8. 1997