BERND PICKERT ÜBER DEN FALL ADNAN LATIF
: Obamas Toter

Nur der Tod konnte die Gefangenschaft des jungen Jemeniten Adnan Latif in Guantánamo beenden. Latif war vom US-Militär zur Freilassung vorgesehen, er war alle Instanzen des US-Justizsystems durchgegangen, er hatte teilweise recht bekommen – und doch verhinderte die US-Regierung jede realistische Möglichkeit für ihn, aus dem Lager entlassen zu werden. Am Samstag wurde er leblos in seiner Zelle aufgefunden, Todesursache noch unbekannt.

Natürlich tragen die USA die Hauptverantwortung für seinen Tod. Nicht nur weil Guantánamo entgegen der vollmundigen Ankündigung des damals frisch gewählten Präsidenten Barack Obama überhaupt noch existiert, sondern weil selbst unter dieser Voraussetzung ein anderer Umgang mit den Häftlingen möglich wäre. Latif hätte längst frei sein können.

Aber die Verantwortung für seinen Tod liegt nicht nur bei den USA. Erinnert sich noch jemand, wie händeringend Obama in den Jahren 2009 und 2010 nach Aufnahmeländern für freizulassende Häftlinge suchte – und wie schäbig die Antwort der europäischen Alliierten, einschließlich Deutschlands, ausfiel? Dabei hatten sich deren Regierungen vorher darin so gefallen, von den USA die Schließung des Lagers zu fordern. Auch sie tragen eine Mitschuld.

Wenn wirklich menschenrechtliche Überlegungen die Politik bestimmen würden, müsste es längst großzügige Angebote aus aller Welt geben, zur Freilassung vorgesehene Gefangene bei sich aufzunehmen. Stattdessen regiert die gleiche Prämisse, nach der auch die USA keine Gefangenen nach Jemen entlassen: Wir haben zwar keine Beweise, werden sie auch nicht anklagen – aber wer weiß, womöglich sind sie doch Al-Qaida-Leute und kämpfen bald weiter. Das ist Justiz auf der Basis bloßer Vermutungen. Sie wird weitere Todesopfer fordern.

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