Neuneinhalb Wochen, Teil 2
: Noch einen gegen das Wetter!

Susanne Gieffers, taz-Redakteurin, arbeitet für neuneinhalb Wochen in Minneapolis, USA. An dieser Stelle berichtet sie regelmäßig über diese Stadt, in der, wenn man will, vieles an Bremen erinnert

Es ist ja nicht so, dass nur Bremen eine Schwesterstadt hätte. Minneapolis hat auch eine, mehr noch: Minneapolis hat sogar eine Zwillingsstadt, Saint Paul. Die beiden heißen Twin Cities, Zwillingsstaedte, weil sie direkt nebeneinander liegen, und wer wirklich cool ist, der spricht nicht von Minneapolis und nicht von Saint Paul, sondern nur von den TwinCities (Tuinnsssidddiiiees).

Durch beide fließt ein Fluss: der Mississippi. Und wenn die Bremer ihr nördliches Schwesterchen gerne mal „Fischtown“ nennen, dann hat Saint Paul immerhin einen Stadtteil namens Frogtown, Froschtown. Neulich war da eine Schießerei mit zwei Toten, niemand hat was gesehen, niemand was gehört, und sogar der oberste Polizeichef fand das sehr weird. Saint Paul wird – wie Fischtown – im Allgemeinen für wenig aufregend gehalten.

Neulich auf Stadtrundfahrt mit Jane, ich glotze nach drei Stunden Nonstopinformation selig und ein bisschen stumpf vor mich hin, heißt es plötzlich: „Und das war Downtown Saint Paul.“

Nicht dass ich was gemerkt hätte. Aber nett war’s wohl, weil es mit Jane immer nett ist, und auch außerhalb des Autos schien alles ok. In Wahrheit aber tobt in Saint Paul das Leben. Das politische Leben. Hier steht das Parlament von Minnesota, das State Capitol, hier sitzt der Gouverneur, der Henning Scherf von Minnesota.

Das war vor ein paar Jahren Übrigens mal ein Wrestler, eins von den Muskelpaketen, die sich auf Kommando auf andere Muskelpakete fallen lassen.

Hier tagt zudem das oberste Gericht. Das State Capitol sieht ein bisschen so aus wie das Capitol in Washington, was wiederum ein bisschen so aussieht wie der Petersdom. Was in der Bremer Bürgerschaft eckig ist, ist hier rund und drei, ach was: dreißig Mal so prächtig. Und wohin führt einen der Kollege vom Parlamentsbüro als erstes? In den „Rathskeller“.

Ehrlich! Es gibt hier einen Ratskeller. Mit Cola-Automat draußen, Gewölbe drinnen und jeder Menge deutschen Sprüchen an den Wänden. „Besser ein Rausch, denn ein Fieber“, steht da, umrankt von üppigem Weinlaub. Oder „Zunächst versorge deinen Magen, dann trink soviel du kannst ertragen.“ Oder „Im Becher ersaufen mehr als im Bache.“ Oder: „Noch einen gegen das böse Wetter.“ Und: „Gott segne deinen Eingang und Ausgang.“

Gemalt wurde das Ganze Anfang des Jahrhunderts von einem New Yorker Künstler, im Ersten Weltkrieg dann aus Abneigung gegen Deutsche und Deutsches übermalt, 1930 wiederhergestellt, was ein Frauenkomitee ziemlich auf die Palme brachte, weil es nicht gemäß dem „spirit of the time“ sei, schließlich galt noch die Prohibition. Die heftigsten Sprüche wurden daraufhin überschrieben, irgendwann alles wieder übermalt und 1980 dann endlich im Urzustand wiederhergestellt. Keine Ahnung, was derart offene Aufforderungen bei den Parlamentariern bewirken, aber sie scheinen hier eher kontraproduktiv, sprich: drosselnd. Würde den Bremer Abgeordneten vielleicht auch ganz gut tun – könnte mal jemand Parlamentspräsident Christian Weber Bescheid sagen?