Merkel in der Mullah-Falle
: KOMMENTAR VON STEFAN REINECKE

Gerhard Schröder hat George W. Bush kritisiert, weil der einen Militärschlag gegen den Iran für eine Option hält. Das ist Wahlkampf. Doch bevor man sich mit der Frage befasst, wem dies wohl taktisch nützt, sollte man eine andere stellen: Hat Schröder Recht?

Rot-Grün sucht in dem Konflikt um das Atomprogramm des Iran gemeinsam mit Paris und London seit langem nach diplomatischen Lösungen. Das ist klug. Denn man muss durchaus kein antiwestlicher, paranoider Mullah sein, um zweierlei zu begreifen: Die Neocons haben, trotz des Desasters im Irak, den Plan, den Mittleren Osten gewaltsam zu demokratisieren, noch nicht aufgegeben. Und: Atomwaffen schützen, siehe Nordkorea, vor US-Angriffen.

Ein Krieg steht, anders als im Irak 2002, nicht auf der Tagesordnung. Aber das kann sich ändern. Wenn Bush nun von Gewaltoptionen redet, klingen Teheran zu Recht die Ohren. Deshalb ist Schröders Kritik an den USA berechtigt. Klar, Schröder macht damit Wahlkampf. Aber wieso auch nicht? Warum ist es anrüchig, eine Position, die Rot-Grün seit Jahren diplomatisch vertritt, auch auf dem Marktplatz zu äußern? Gegen Schröder mag manches sprechen – dass er nicht Bushs Büttel ist und mal sagt, was er tut, und tut, was er sagt, gehört nicht dazu.

So klar Rot-Grün in der Iranfrage ist, so katastrophal zeigt sich die Union. Der CDU-Außenpolitiker Wolfgang Schäuble hält Schröders Kritik für eine unverantwortliche Spaltung des Westens. Klingt vertraut. Genau so hat die CDU 2002 vergeblich das rot-grüne Nein zum Irakkrieg zu bekämpfen versucht. Der CDU-Generalsekretär Volker Kauder hat gestern allerdings auch versichert, dass die Union voll auf der Linie der Regierung ist. Die CDU ist also für eine Politik, die ihr führender Außenpolitiker für unverantwortlich hält.

Die Union sitzt in der gleichen Falle wie 2002 – sie ist für Bush, aber auch irgendwie nicht. Die Frage, was Angela Merkel dazu meint, wollen wir lieber nicht stellen, um die Verwirrung nicht noch zu vergrößern. Das Tempo, mit dem die Union derzeit täglich zeigt, dass sie in allen zentralen Fragen dafür, dagegen und außerdem beides ist, ist imposant. Wahlkampf kann sehr erhellend sein. inland SEITE 6