Kommentar Reaktion auf Lübcke-Mord: Man muss nur wollen

Material zu Gefahren des Rechtsextremismus ist vor allem von NGOs gesammelt worden. Das Interesse an rechten Netzwerken hält sich in Grenzen.

Polizisten stehen vor einem Demo-Transparent

Durchblick: Kundgebung gegen rechte Gewalt in Hamburg Foto: dpa

Beim Nachrichtensender n-tv wurde am Donnerstag über Stunden hinweg konsequent über den „mutmaßlichen“ Mord an Walter Lübcke berichtet. Schön, wenn Medien sich mit Spekulationen zurückhalten, aber es gibt einen Punkt, an dem Vorsicht zur Groteske wird. Das wäre zu vernachlässigen, handelte es sich nicht um einen Ausdruck der Richtung, in die gegenwärtig die Diskussion läuft.

Die Argumentation, die von Innenminister Horst Seehofer und von der Regierung insgesamt vorgegeben wird, lautet in etwa: Wir wissen sehr wenig. Wir sind gut, aber wir müssen – noch – besser werden. Dieses furchtbare Ereignis war nicht vorhersehbar. Außerdem sind Einrichtungen wie Polizei und Verfassungsschutz die Hände gebunden, wenn sie nicht endlich mehr Geld bekommen. Diese Verteidigungslinie ist ebenso bekannt wie falsch.

Bereits unmittelbar nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke wies vieles darauf hin, dass der oder die Täter aus dem rechtsextremistischen Umfeld stammen könnten.

Wahr ist allerdings: Gespräche im Freundeskreis und am Arbeitsplatz ersetzen keine Ermittlungsarbeit, und selbstverständlich muss die Unschuldsvermutung auch für Rechtsextremisten gelten.

Wahr ist jedoch ebenfalls: Belastbares Material zu den Gefahren des Rechtsextremismus ist in den letzten Jahren vor allem von NGOs wie der Amadeu Antonio Stiftung zusammengetragen worden. NGOs, die sehr viel weniger Mittel haben als staatliche Einrichtungen.

Warum nichtstaatliche Organisationen schon lange eine bessere Quelle als der Staat sind, wenn es um Rechtsextremismus geht, ist eine der Fragen, die geklärt werden müssen. Ebenso wie die, weshalb sich für Recherchen zu rechten Netzwerken innerhalb von Polizei und Bundeswehr bisher kaum jemand interessiert hat. Bleibt das Stichwort soziale Medien. Um dessen Brisanz zu erkennen, bedarf es keiner besonderen ­Kompetenz. Lediglich eines Klicks auf Facebook. Man muss nur wollen. Will man?

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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