Die Linke stellt sich vor

Wer ist die Hamburger Linkspartei? Wie kommen die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit und die Partei des Demokratischen Sozialismus zueinander? Kleine Erkundungen an der Basis in der ersten Woche des Wahlkampfes

aus Hamburg Anne Kunze

August in Hamburg, Montagmorgen halb acht, Bahnhof Altona. Daniels Hände sind in der Kälte blau geworden, aber verschlafenen Gesichtern lächelt er aus großen grünen Augen entgegen. Schließlich gehe es um „eine gute Sache“, grinst Daniel, 33 Jahre alt, er schreibt seine Doktorarbeit in Volkswirtschaft. Die „gute Sache“, das ist eine Veranstaltung der Linkspartei am Donnerstag in dieser Woche, „Die Linke stellt sich vor.“

Die sich da als „Die Linke“ präsentieren, das sind WASG und PDS und noch ein paar andere. Sie scheinen sich zu einer großen, gemeinsamen Partei zusammengefunden zu haben.

Daniel, Stefan, Lutz und Eko, die an diesem Morgen in Altona Zettel verteilen, sind WASG-Mitglieder um die 30. Daniel kann in festen, ruhigen Worten Passanten in Altona erklären, wie sich eine Gesellschaft auch ohne Hartz IV finanzieren lässt. Eko und Lutz sind am Ende des Studiums, sie fürchten, keinen Job zu finden. Sie begreifen die WASG als Chance, etwas zu verändern, auch für sich selbst.

Die Linkspartei? Lutz und Eko sagen, sie stünden „der WASG schon viel näher als der PDS“. Und Stefan, der nicht müde wird zu betonen, er sei „enttäuschter Sozialdemokrat“, sagt sogar: „Mit der PDS habe ich nichts zu tun.“

Die Hamburger PDS wird innerhalb der Bundespartei dem äußersten linken Rand zugeordnet, der Verfassungsschutz hält den Landesverband für extremistisch und lässt ihn beobachten. Daniel bedauert, dass sich die PDS in Hamburg in „Linkspartei.PDS“ umbenannt hat, „ich hätte es schon besser gefunden, wenn das Kürzel PDS nicht mehr aufgetaucht wäre. Das wäre ein besserer Ausdruck für das neue gemeinsame Projekt.“ An jenem Morgen verteilen Daniel und die anderen nur Zettel mit dem Schriftzug „Die Linke“.

Jannik nervt das. Er steht auf einer Bank am Gänsemarkt, vor ihm auf der Bühne erklärt Franz Müntefering, dass die Politik der SPD richtig war. Jannik pustet in eine Trillerpfeife und versucht nach Kräften, den SPD-Chef zu übertönen, sein Kopf ist davon schon ganz rot angelaufen. Er ist 18 Jahre alt und seit einem halben Jahr Mitglied der PDS. Auch Jannik macht in Altona Wahlkampf – für die Linkspartei. „Die WASG macht ihren eigenständigen Wahlkampf, überall verteilen die ihr Wahlmanifest. Sie wollen zu sehr als eigener politischer Faktor auftreten. Dabei tritt die WASG bei der Bundestagswahl gar nicht an! Die Linkspartei ist die PDS.“

Der Satz, der am häufigsten fällt, ist jedoch: „Die Linke muss sich auf ihre Gemeinsamkeiten konzentrieren.“ Die Reibereien erkennt man erst, wenn man genau hinschaut, wenn man einige Zeit mit den Leuten verbringt, die den Wahlkampf gestalten, die Plakate kleben, die Woche für Woche an den Infotischen stehen.

„Wir hätten halt gern die Uschi als Direktkandidatin für Altona gehabt“, sagt Daniel einmal und wirkt dabei fast schüchtern. „Uschi“, WASG-Frau Ursula Caberta, kam auf Platz zwei der Landesliste und hat, einer internen Absprache folgend, den Posten des Direktkandidaten Robert Jarowoy von der PDS überlassen, einem Alt-68er mit gemütlicher Statur und Rauschebart.

Um die Nominierung der Kandidaten gab es in Hamburg Meinungsverschiedenheiten. Von den Kritikern wird die Hamburger Linkspartei genau beobachtet, weil sie auf ihre Liste erstaunlich viele Mitglieder der WASG und Parteilose geschrieben hat. Parteilose wie Norman Paech, ehemaliger Professor für Völkerrecht an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik. Paech ist Spitzenkandidat für Hamburg, er tritt für eine Verbesserung der Einwanderungs- und Asylpolitik ein. Vielleicht sind gerade Menschen wie Norman Paech, der seit Jahren linke Ansichten in internationalen Konflikten vertritt, eine Chance für die Hamburger Linkspartei.

Auch mit Florian Wilde, 28 Jahre alt, Aktivist aus der Studierenden-Protestbewegung und parteiloser Direktkandidat für Eimsbüttel, könnte Land in Sicht kommen. „Als ich Florian das erste Mal gehört habe“, sagt Bernd Kloss, 59, seit 2003 in der PDS, und seine Augen beginnen zu leuchten, „als er bei den Bildungsprotesten auf dem Rathausmarkt gesprochen hat, hat er mich unheimlich an Rudi Dutschke erinnert.“

Die Älteren in der PDS haben Florian für die Partei angeworben, sehen in ihm eine Identifikationsfigur für die jungen Menschen in Eimsbüttel, für die Studenten, für die Alternativen. Begleitet man Florian auf Wahlkampfveranstaltungen, hört man „Ah, der Florian“ von überall her, Herren über 40 klopfen ihm auf die Schulter, er ist junger Hoffnungsträger einer in die Tage gekommenen PDS.

Er ist parteilos und möchte es vorerst auch bleiben, „ich“, sagt er, „verstehe die Linkspartei als einen bisher noch relativ offenen Prozess, wo es noch unklar ist, was dabei herauskommt.“ Er wünscht sich, dass die Partei parlamentarischer Ausdruck aller linken Bewegungen, auch der radikalen, wird. Zentraler Ort für Veränderungen ist für ihn „ganz bestimmt nicht das Parlament“, sondern die Straße, außerparlamentarische Kämpfe und soziale Bewegungen.

Florian lacht viel, seine hellen Augen durchdringen den Gesprächspartner, die Haare streicht er immer wieder zu einer Frisur à la Sophie Scholl zurecht. Um sein Handgelenk ist ein Band gewickelt, dort steht in roter Schrift auf gelbem Grund: „summer of resistance“.

Florian hat den „summer of resistance“, den studentischen Protest gegen Bildungsgebühren, an der Hamburger Uni mit entwickelt und umgesetzt. Seit Jahren ist er in sozialistischen, antifaschistischen und globalisierungskritischen Gruppen aktiv. Seine Kandidatur hat fast Handelscharakter: Er kandidiert für die Linkspartei und verleiht damit den studentischen Protesten einen Raum.

Die Aktionen, die Florian für seinen Wahlkampf plant, „sollen regelverletzenden und grenzüberschreitenden Charakter haben“. „Kiffen mit dem Kandidaten“ ist angedacht oder ein Go-in in eine Arbeitsagentur. Innerhalb der WASG und er PDS stößt er damit nicht nur auf Zustimmung, „aber wer eine Öffnung der Linken außerhalb von WASG und PDS möchte, muss Ausdrucksformen der Linken außerhalb der PDS und WASG aufgreifen“. Inzwischen gibt es sogar T-Shirts mit Florians Konterfei.