Tamil Tigers weisen Tatverdacht zurück

Nach der Ermordung des srilankischen Außenministers streitet die Befreiungsorganisation eine Verantwortung für das Attentat ab. Präsidentin Kumaratunga will zwar am Friedensprozess festhalten, doch ihr Spielraum ist jetzt geringer geworden

VON BERNARD IMHASLY

Zwei Tage nach dem Mord an dem srilankischen Außenminister Lakshman Kadirgamar hat die Polizei am Sonntagmorgen in der Hauptstadt Colombo zwölf Tamilen verhaftet. Bereits kurz nach dem Attentat am späten Freitagabend wurde das Ehepaar verhaftet, aus dessen Haus einer oder zwei Attentäter sechs Schüsse auf Kadirgamar abgegeben hatten. Das Haus grenzt an das Privatanwesen Kadirgamars im Diplomatenviertel.

Präsidentin Chandrika Kumaratunga erklärte den Notstand für das ganze Land und rief ihre Landsleute zur Besonnenheit auf. Sie sah „Feinde des Friedensprozesses“ hinter dem Attentat. Der 73-jährige Kadirgamar, ein christlicher Tamile aus Jaffna, wird heute bei einem Staatsbegräbnis kremiert werden.

Polizei- und Armeesprecher waren weniger zurückhaltend, wenn es um die mutmaßlichen Hauptverdächtigen ging. Für sie trug das Attentat die Handschrift der tamilischen Befreiungsorganisation LTTE, die politischen Mord häufig als Teil ihrer militärischen Strategie einsetzt. Bereits vor zwei Wochen seien zwei verdächtige Tamilen beim Filmen des Hauses verhaftet worden, hieß es. Die sichergestellten Patronenhülsen ließen zudem auf eine Waffe schließen, die von den Tigern benutzt würden. Außerdem stand Kadirgamar als „Verräter“ an der Sache der Tamilen ganz oben auf der Liste seiner Gegner und genoss nach der Präsidentin den umfassendsten Personenschutz. Der Außenminister hatte aus seiner Gegnerschaft zur LTTE und seiner Abscheu vor deren Gewaltmethoden nie einen Hehl gemacht. Er war dafür verantwortlich, dass viele Länder sie als Terrororganisation verboten. Er stand auch in kritischer Distanz zur Friedensmission der Norweger und warf ihnen gelegentlich Einseitigkeit zugunsten der Tamil Tigers vor. Allerdings sah er keine Alternative zu einer friedlichen Lösung des 22-jährigen Bürgerkriegs.

Der Sprecher der LTTE, S.P. Thamilselvan, wies auf ihrer Website die Verantwortung für das Attentat zurück. Er drehte den Spieß um und richtete den Verdacht auf Kreise innerhalb der Sicherheitskräfte, die kein Interesse an der Weiterführung des Friedensprozesses hätten. Tatsächlich ist schwer zu begreifen, wie ein Wiederaufflammen des Kriegs der LTTE nützen könnte. Zwar haben sich beide Seiten seit der Unterbrechung der Friedensgespräche im April 2003 für eine neue Kriegsrunde gewappnet, was sich bei der LTTE etwa an der anhaltenden Rekrutierung von Kindersoldaten zeigt. Erst letzte Woche hatte der LTTE-Chefunterhändler Anton Balasingham vor einem Zusammenbruch des Waffenstillstands gewarnt. Politische Morde haben auf beiden Seiten wieder zugenommen. Am Freitag wurde in Colombo ein tamilisches Journalistenehepaar von Unbekannten erschossen. Die Opfer waren für ihre Sympathien für zwei LTTE-feindlichen Organisationen bekannt.

Die heftigen internationalen Reaktionen auf den Mord zeigen aber klar, dass die wichtigsten Länder – die USA, Indien, Japan und die EU – nicht bereit sind, ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs in Kauf zu nehmen. Indien bezeichnete das Attentat als einen „Terroranschlag“. Auch US-Außenministerin Condoleezza Rice sprach von einem „feigen Terrorakt“. Umso mehr müsse man daher sicherstellen, dass der Waffenstillstand in Kraft bleibe. Der norwegische Außenminister Jan Petersen forderte beide Seiten auf, ihr Möglichstes zu tun, um ihren Verpflichtungen im Waffenstillstandsabkommen nachzukommen.

Die Reaktionen in Sri Lanka waren weniger eindeutig. Im Unterschied zur Staatspräsidentin bekräftigte Premierminister Mahinda Rajapakse das Festhalten am Friedensprozess nicht, ebenso wenig wie die nationalistische Linkspartei JVP, die kürzlich aus Protest gegen das Post-Tsunami-Abkommen die Koalition verlassen hatte. Der jüngste Mord hat den politischen Spielraum für die Präsidentin und ihrer Minderheitsregierung zweifellos verengt.

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