Bürger verheddern sich im Netz

Die Webseiten der Berliner Bezirke sehen gut aus, die Inhalte sind häufig mau: Bürger können ihre Behördenangelegenheiten nicht online erledigen, weil sich einige Bezirke nicht vernetzen wollen

VON MARTIN MACHOWECZ

Dietmar und Andrea wollen zusammenziehen. Reinickendorf wäre schön, denken sie. Dietmar wohnt in Mitte, Andrea in Pankow, jetzt soll es ins Grüne gehen. Mit dieser Idee beginnt ein Marsch durch die Bürokratie. Ämter werden in den nächsten Wochen die zweite Heimat von Dietmar und Andrea sein.

Zugegeben, diese Geschichte ist erfunden. Aber wie wäre es denn, wenn die beiden ihren Umzug online erledigen könnten? Technisch möglich ist das, sagt Christoph Dowe, Geschäftsführer der Internetplattform „politik-digital“, die sich mit den Homepages der Bezirke beschäftigt (s. u.). Nur praktisch klappt es nicht: Außer schicken Designs haben die Seiten der Bezirke meist nicht viel zu bieten.

Viele kochen ihr eigenes Süppchen. „Dabei wäre eine Vereinheitlichung gut“, sagt Senatssprecher Michael Donnermeyer. Auch die Bezirke sollten unter www.berlin.de zu finden sein, glaubt er. „Aber manche wollen selbstständig bleiben.“ An E-Government, also daran, Behördenangelegenheiten bezirksüberschreitend online zu erledigen, sei deshalb nicht zu denken.

Insgesamt sind nur acht der 12 Bezirke in die Berlin.de-Seite integriert. Nicht dazu gehören: Reinickendorf, Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie wehren sich gegen alle Zentralisierungspläne. „Wir verstehen uns als Stadt in einer Stadt. Die Rahmenbedingungen auf der Berlin.de-Seite entsprechen wirtschaftlich und inhaltlich nicht unseren Anforderungen“, heißt es dazu knapp aus der Reinickendorfer Bezirksverwaltung. Sie hat die Agentur ID Praxis mit dem Bau der Internetseite www.reinickendorf.de beauftragt. Die Bezirke Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg werden gleichfalls von dieser Agentur betreut. Agenturchef Thomas Schweer ist kein Gegner einer Verknüpfung aller Bezirke. Nur den Machern von Berlin.de will er sich nicht unterwerfen – und die Senatskanzlei wehre sich dagegen, ihre Betreuung an seine Agentur abzugeben. „Eine Vernetzung wäre vorteilhaft, sie könnte Geld sparen“, sagt er. Natürlich plädiert der Senatssprecher für Berlin.de als Aushängeschild der Stadt.

E-Government ist momentan unmöglich, aber die Individualisierung bringt noch mehr Nachteile: Übersichtlichkeit geht verloren. Die Seiten sehen verschieden aus, Besucher finden sich nur schwer zurecht. „Das verhindert Wiedererkennung“, kritisiert Donnermeyer. Auch für Seh- und Hörbehinderte wäre ein klar strukturierter, einheitlicher Seitenaufbau wichtig. Immerhin: „Mitte bekommt eine neue Seite mit vorlesbaren Texten und vergrößerbaren Schriftarten“, sagt Thomas Schweer von ID Praxis. Einheitlich wird aber nichts. Dietmar und Andrea haben viel Umzugsstress vor sich.