berliner szenen Trost von Schiller

Verleger im Turm

Der Medienmarkt ist ein tosendes Meer voller Haifische, mit gefährlichen Untiefen und tückischen Winden. Wer wüsste das besser als die taz-Leser! Doch während diese Zeitung noch jede Gefahr erfolgreich umschiffte, haben andere weniger Glück. So erhielt meine Freundin M., die sich als Expertin für den deutschsprachigen Zeitungsmarkt von 1750 bis 1810 stets auch für aktuelle Neuerscheinungen begeistern kann, statt der erwarteten Ausgabe von leib & leben lediglich ein Schreiben, in dem ihr der Geschäftsführer mitteilte, dass sich der Titel „im schwierigen Zeitschriftenmarkt leider nicht behaupten konnte“ und man sich deshalb entschlossen habe, das Magazin einzustellen.

Von so viel Offenheit angetan und angesichts des beiliegenden Schecks geradezu gerührt, fiel es M. nicht nur leicht, wie gewünscht „gewogen zu bleiben“. Sie fand auch noch die Zeit, dem Geschäftsführer zum Troste die Worte zu schicken, die 1799 Friedrich Schiller als erfahrener Herausgeber an Friedrich Hölderlin sandte, der sich gerade anschickte, in dieses Geschäft einzusteigen. „Die Erfahrungen, die ich als Herausgeber periodischer Schriften seit 16 Jahren gemacht, da ich nicht weniger als 5 verschiedene Fahrzeuge auf das klippenvolle Meer der Literatur geführt habe, sind so wenig tröstlich, daß ich Ihnen als ein aufrichtiger Freund nicht rathen kann, ein Ähnliches zu tun.“

„Andererseits“, so schloss M., „sollte man deswegen nicht gänzlich vom Zeitschriftenmachen Abstand nehmen, denn statistisch betrachtet enden die wenigsten erfolglosen Verleger als Wahnsinnige in einem Turm oder als Schädel auf dem Schreibtisch von Goethe. In diesem Sinne viel Glück und Erfolg bei Ihren weiteren Projekten.“

CARSTEN WÜRMANN